Unter dem Zwillingsstern
ist doch nun abgewendet.«
»Aber wenn nicht«, beharrte Carla. » W enn du morgen heute das Radio anschaltest und hörst, d a ß di e Nazis die Macht übernom m en haben, was würdest du tun ? «
Käthe überlegte. »Nun, ich würde mich zuerst vergewissern, daß es keine voreilige Fehl m eldung ist. Dann«, Furchen gruben sich in ihre Stirn, »würde ich wohl die Koffer p a cken und ins Ausland reisen. Ich kann m ich noch gut an unsere verwüstete Redaktion im J ahr 1923 erinnern, und an die Fe m e morde. Ja, ich glaube, ich würde in die Schweiz fahren, oder nach Frankreich.«
»Aber Käthe«, wandte Dr. Gold m ann ein, »das ist doch nun schon zehn Jahre her. Inzwischen legt H e rr Hitler W ert auf s e in Ansehen als Staats m ann. Selbst wenn er an die Macht kä m e, dann würde er gewiß nicht die gleichen Mittel anwenden wie 1923. Man müßte m it einigen Anpöbeleien rechnen, gewiß, aber doch nicht sehr lange. W i r sind eine K ulturnation. Verzeihen S ie m ir, aber das Eindringen in fr e m des Eigentu m , Gef ä ngnislager oder das Exekutieren von Gegnern, das mag in Rußland geduldet werden; die ar m en L e ute dort sind nichts anderes gewöhnt. Aber doch nicht hier.«
»Ihr W ort in Gottes Ohr«, entgegnete Käthe trocken. » A ber ich verla s se m i ch lieber n i c h t auf Herrn Hitl e rs Sor g en um seine Reputation. Ich gehöre hier w ohl zu den wenigen, die M ein Kampf Von Anfang bis zum Ende gelesen haben, so widerlich die Erfahrung auch war. Ganz gleich, wie abstrus sei n e Ansichten sind, sie stehen für ihn im Mittelp u nkt, nic h t s ein s ta a tsmännisches Ansehen. Außerdem würde er bestim m t den letzten Rest von Pressefreiheit zerstören, und wir hätten Zustände wie während d e s Krieges. Ich lebe nun ein m al von m einer Arbeit als Journalistin, was bedeutet, ich m üßte im Ausland schreiben, bis seine D i ktatur gestürzt würde.«
»Versprichst du m i r das ? « dräng t e Carla, und die hektischen Flecken auf ihren W angen veranlaßten Käthe, Martin Gold m ann einen Blick m it einer stum m e n Bitte darin zuzuwer f en. »Daß du so f ort abrei s t?«
»Sie gehören wieder ins Bett, C a rla«, sagte Dr. Gold m ann, der Käthes Appell ric h tig de u tete. »Sie hätten überhaupt nicht aufstehen dürfen.«
»Versprichst du es m ir ? «
»Ja«, sagte Käthe besänftig e nd, »ja, ich verspreche es.«
Carla stand auf und ließ sich wid e rspruchslos von den beiden ins Schlafzimmer bringen; Käthe übernac h tete seit Tagen auf der Couch, auf der sie g erade geses s en hatte. Als sie z u rück in das W ohnzim m er ging, das ihr gleichzeitig als Arbeits- und als E ßzim m er diente, um die Überreste ihres S il v ester m ahls aufzuräu m e n, hielt Carla Martin Gold m ann, der Käthe folgen wollte, zurück.
»Dr. Goldmann«, sagte sie, »vielleicht haben Sie ja recht, und es ist alles nur wilde Rhetori k , aber es wäre m i r lieber, wenn Sie es sich ebenfalls ü berle g t en, ins Ausland zu fahren, falls d ie Diktat u r kom m t.«
Er schüttelte den Kopf. »Aber m eine Liebe, das kann ich nicht. Ich habe m eine Praxis hier, m eine Patienten, m eine Freunde kurzu m , m ein Leben, und ich könnte m ir nicht vorstellen, es wegen einiger Monate Unanneh m lichkeiten aufzugeben.«
Sie schaute auf ihre linke Hand. » M an hat m i r versichert«, flüsterte sie, so leise, daß er sich zu ihr nei g en m ußte, um sie zu verstehen,
»und ich denke, Sie wissen, wen ich m eine, daß die Republik den Monat Januar nicht überleben wird und daß eine Menge Leute danach nic h t m ehr sicher sein werden . «
Das ließ ihn eine W eile verstum m e n. Ihr weißes Gesicht sc ha ute zu ihm auf; die r o ten Haare, d i e es w ie ein u m gestülpter Blütenkelch u m rah m ten, wirkten in der schlechten Beleuchtung fast braun, und plötzlich erinnerte sie ihn wieder an ihre Mutter, die in d e n let z ten Monaten ihres Lebens einen ähnlichen von Geistern gehetzten Gesichtsausdruck gehabt hatte.
»Selbst wenn dem so wäre«, er w iderte er dann, »und es sich nicht nur u m , nun ja, ›wilde Rhetorik‹ handelte ich bin Deutscher. Ich kann doch m eine He i m at nicht verlassen.«
Er ging zur Tür und schaltete das Li cht aus. »Könnten Sie es ? «
17. KAPITEL
Synchronisation, das neueste Verfahren, um d e n nationalen Grenzen des Tonfil m s bei z ukom m en, war sehr viel kostengünstiger, als einen Film in drei Sprachen gleichzeitig zu produzieren, doch die Kriti k er verabscheuten es.
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