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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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erfen Sie ei n en Q u arter rein, u nd suchen Sie sich d i e Lieder aus.«
    Ein Quarter war ein Vierteldollar, das wußte sie seit New York. Auf d e m un t eren Bereich befanden sich Tasten m it aufgeklebten Zetteln. Sie drückte auf »Loss«, Genevieves wegen, doch es war ein fröhliches, beschwingtes Lied: You’ve lost it, Baby, you’ve lost your blues, that’s good, now let me give you the news: here it is - I love you….
    Die Li m on a de, die m an ihr servier t e, war auch etwas Neues, eine dunkle, prickelnde, süße Flüssigke i t, doch ihre Süße sta mm t e nicht von einer F r ucht, die Carla identifizieren konnte. Auf jeden Fall sch m eckte sie gut und w ar an diesem heißen Tag genau das R i chtige. Die »french fries« stellten sich als Pommes frites heraus, die sie während der Hexer-Candid a -Räuber-T o umee im Rheinland bereits kennengelernt hatte. Beides zusam m e n sch m eckte nicht schlecht; das salzige, ge b rate n e Fett der Kart o ffeln wurde durch die kühle süße Li m onade wieder aufgehoben. Robert würde sich wahrscheinlich darauf stürzen, sie durfte nicht vergessen, ihm davon zu erzählen; doch halt, er kannte A m e rika bereits.
    » You’ve lost it, Baby, you’ve lost your blues…«, spi e lte der Auto m at i m Hintergrund unverdrossen weiter, und Carla m achte eine verblüffende Entdeckung. Ihre un m ittelbaren Zukunftsaussic h ten waren düster, ihre einzige Freundin in die s er Stadt t o t, sie hatte noch i m m er nichts über die Situation daheim in Erfahrung bringen können, und sie ver m ißte Kathi und ihre Freunde bereits jetzt, von Robert ganz zu schweigen, dessen Abwesenheit über einen Ozean hinweg an ihr zerrte, als h ätte s i e eine Hand oder einen Arm a uf der anderen Seite gelassen. U nd trotzdem fing sie an, das Land hier zu m ö gen. Das Leben war m anch m al eine absurde, m örderisc h e Farce, aber es ging weiter.
     
    Die einzige Beerdigung, die Carla bisher erlebt hatte, war die von Renate Beuren gewesen; die A nnis, ihres Vaters und Mariannes konnte sie sich nur vorstellen. Vielleicht hatte sie ihr Vater zu der Beerdigung ihrer Mutter m itgenommen, doch sie besaß keine Erinnerung daran; sie glaubte auch nicht, daß er selbst überhaupt dabei gewesen war.
    Das unverändert strahlende kalifor n ische Sonnenlicht war nicht der einzi g e Unterschied zwischen dem Begräbnis in Berlin und dem in Santa Monica. Renate Beurens Fre u nde und Schüler hatten seinerzeit dem leichten Nieselregen getrotzt und das Grab in einer stattlichen Anzahl u m standen, während der P a stor von einem langen, reichen Leben und ihrer Gabe, die Menschen zu erschüttern und zum Lachen zu bringen, sprach. Der junge, nervöse Mann, der hier als Geistlicher fungierte, m ur m elte einige ritue l le Worte und brachte es so schnell wie m öglich hinter sich.
    Außer Carla waren nur noch eine b r aunhaarige, elega n te Da m e m i t zwei kleinen Jungen, ein blonder Mann um die Vierzig und eine zierliche, junge Frau, die m it ihrer go l dgetönten Haut, dem lackschwarzen Haar und den schrägen Augen eindeutig asiatischer Herkunft war, gekom m en. Sie sprachen weder m iteinander noch mit Carla, doch als der Geistliche m it der sehr offensichtlich nur rhetorisch ge m einten Frage, ob je m a nd etwas sagen wolle, innehielt, trat die Da m e m it den zwei Jungen nach vorn.
    »Genevieve Beresford«, sagte sie m it einer dünnen Stimme, der die Wut größere Kraft verlieh, »war eine gute F r eundin, eine m utige K ä m pferin, und sie gehört zu d e n Leuten, die Hollywood groß ge m acht haben. Es ist eine Schande, daß sich heute nicht mehr Menschen daran erinnern.«
    Der blonde Mann legte ihr einen Arm um die Schultern. »Mach’s gut, Jenny, altes Haus«, m u r m elte er. »Und wenn du irgendeiner Laus von P roduzenten da drüben beg e gnest, tritt ihm ordentlich in den Hintern.«
    Sie schauten zu Carla und der jungen Asiatin. D a Carla in diesem Mo m ent ihrem Englisch nicht tra u te und ihr persönliche Geständnisse im m er s e hr schwerfielen, zitier t e sie auf deutsch die Verse, die Genevieve Laura üb e r Car m illas Grab s p rech e n ließ. Sie h atte Genevieve nie erzählt, daß sie und Robert den Schluß dieses Sonetts ein m al über der Spree dekla m iert hatten, in der Hoffnung, Frieden m i t zwei anderen Toten zu schließen.
     
    Fürchte nicht der Mächt’gen Wut,
    Bist fern nun der Tyrannen Macht;
    Für dich hinfort, und das ist gut,
    Sind Grashalm, Eiche gleich gemacht;
    Und

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