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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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er ein m al für den Salon seiner Mutter ausw e ndig gelernt hatte, kam zu ihm zurück, und er dekla m ierte, w e il es ihm angebracht schien:
    »Fluch sei der Hoffnung, Fluch dem Glauben und Fluch vor allem der Geduld!«
    Carla holte tief At e m und zertrat ihre Leh m figur, nur den B r uchteil einer Sekunde schneller, als er sei n e zerstörte. Es war ein eigenartiges Gefühl, böse und aufregend und befriedigend zugleich, und solange es anhielt, vertrieb es d i e Trauer und das Entsetzen. Sie sprachen nicht m iteinander, als sie z u m Haus zurückkehrten, aber ihre Hände verschränkten sich im m er noch ineinander, wie zwei Kätzchen in einem Korb. Erst als d e r erste Dienstbote i h rer ansichtig wurde, erinnerte sich Robert, daß dergleichen B eneh m en höchst kindisch war und auf demütigende W e ise von Erwachsenen belächelt wurde, und er zog seine Hand zurück.
    Das Dienst m ädchen brachte sie zu Fräulein B rod und redete die ganze Zeit davon, daß m an sie überall gesucht habe. Fräulein Brod sagte zunächst ein m al überhaupt nichts; sie nahm sie nur in Augenschein, und beide Kinder wurden sich ihrer verdreckten Kleidung bewußt. Aber die Sch w arze Magie des Gartens hielt noch an; keiner von beiden fühlte sich verlegen.
    »Bedauerlicherweise«, s agte Kät h e Brod endlich zu Robert, nachdem sie vergeblich auf eine E rklä r ung oder Entschuldigung gewartet hatte, » m öchte Herr F ehr nicht, daß du in den nächsten Tagen hierbleibst. Du wirst deinen V a ter nach Hause begleiten m üssen.«
    Es überraschte sie nicht weiter, daß der Junge nicht protestierte; die Sensibilität dagegen, die er vorhin Carla gegenüber gezeigt hatte, hatte sie aufrichtig verblüfft, war es doch schon lange ihre Meinung, daß Taktgefühl, für Kinder ohnehin ein schwieriges Konzept, für Robert lebenslang ein Fre m dwort bleiben würde. Sie sah der Zeit seiner Einschulung m it einer gewis s en Erleichterung entgegen. Auch jetzt v ergaß er, s ich von Carla zu verabschieden. Er schaute lediglich noch ein m al über die Schulter, ehe er m it dem Dienst m ädchen verschwand.
    Das Mädchen sah zu m i ndest nicht mehr so verstört aus. Ohne darüber nachzudenken, ob es pädagogisch angebracht war, sagte Käthe vorwur f svoll: » I ch habe m ir Sorgen um dich ge m acht.«
    Gleich darauf preßte sie die L i ppen zusam m en; sie hatte i mm er so sehr darauf geachtet, für Carla eine Autoritätsfi g ur zu sein, und diese Äußerung klang wie die Bes c hwerde einer… Cousine.
    » W irklich ? « fragte Carla und fügte hinzu: » W aru m ? «
    Die Frage klang nicht unverschä m t, sondern aufrichtig verwundert, und der jähe Sch m erz, der Käthe durchzuckte, nahm ihr für einen Mo m ent den Ate m . Sie sollte das nicht fragen m ü ssen.
    » W eil ich weiß, daß es dir jetzt sehr schlecht geht, und ich dir helfen m öchte«, entgegnete sie behutsam und fragte sich, wann genau sie begonnen hatte, trotz aller guten Vorsätze ihr Herz an ein fre m des Kind zu hängen. Klargeworden war es ihr erst heute.
    Carlas Blick, der unverändert auf sie gerichtet blieb, war m i ßtrauisch; die Hand, in der sie ein Bündel hielt, verkra m p fte sich ein wenig. Das Bündel aus buntkariertem Tuch brachte Käthe auf die rettende Idee.
    »Vielleicht«, sagte sie langsa m , »möchtest du in das Zimmer deiner Stief m utter gehen. Herr Fehr«, aus irgendeinem Grund ver m ied sie den Ausdruck »dein Vater«, »hat angeordnet, daß es m orgen ausgeräu m t wird, aber ich könnte m i r vorstellen, daß du etwas von ihr behalten m ö chtest.«
    Carla starrte auf den Boden. »Sie haben sie nicht ge m ocht«, stieß sie anklagend hervor.
    Ein konventionelles De m enti lag K äthe auf den Lippen, doch sie entschied sich für Ehrlichkeit. W i e sonst konnte sie je m als auf Vertrauen hoffen?
    »Nein«, antwortete sie und seufzte. »Das habe ich nicht. Aber«, lächerlicherweise fiel i h r das zweite Eingeständnis schwerer als das erste; Erwachsenen m ußte m an so etwas nicht sagen, »ich mag dich.« Das Kind hob den Kopf, und Käthe erkannte, daß es endlich begonnen hatte zu weinen.
     

3. K APITEL
     
    Für Carla war das Geschenk der frühen zwanziger Jahre das Kino. Annis Tod lag bereits ein Jahr zur ü ck, als sie die flackernden Bilder auf der Leinwand zum e rsten Mal s a h, und sie brachte es fertig, an das Mädchen zu denken, das nur siebzehn Jahre alt geworden war. Anni hätte ihre Begeist e rung geteilt, aber Anni war tot, und Fräulein Brod

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