Unter dem Zwillingsstern
freut m i ch, daß Sie hier sicher sind, Käthe.«
Sie blieb stehen und sch a ute ihn an. »Sie könnten hier auch sicher sein. Oder glauben Sie im m er no c h, daß in Deutschland nur die Kommunisten verfolgt werden ? «
»Nein«, entgegnete Dr. Gold m ann traurig. »Nein, das glaube ich nicht m ehr. Aber ich kann es Ihnen trotzdem ni c ht gleichtun. Es gibt zu viel… Sie werden vielleicht g e hört haben, daß jüdische Ärzte keine sogenannten arischen Patienten m ehr behandeln dürfen. Und u m gekehrt. Ich dachte, das sei das E nde m einer Praxis, aber m e i n Freund Dr. Schlüter, der nach Herrn Hitlers M aßstäben ein Arier ist, bot m ir sofort an, m eine Praxis zu ü berneh m en, m it m ir als Teilhaber. Jetzt ist es no m i nell seine Praxis, und ich behandle no m i nell nur den jüdischen Teil unseres Patientenk r ei s es, aber de facto hat sich nichts geändert. Verstehen Sie, w o rauf ich hinauswill? Deutschland, das sind nicht Barbaren wie Hit l er, das sind anständige L eute wie Bernhard Schlüter und m eine Pat i enten, die dafür sorgen, daß wir diese schli mm en Zeiten übersteh e n. Und deswegen bleibe ich.«
War er nun naiv, oder hatte er recht? Sie g l au bt e schlie ß lich auch daran, daß den Massen irgendwann die Schleier von den Augen fallen und sie sich gegen die Nazis erheben würden. Sonst hätten all die Aufrufe, die sie schrieb, keinen Sinn. Ja, gewiß gab es anständige Leute, aber sie zweifelte daran, ob Dr. Schlüter auch ei n en wirksa m en Schutz bot, wenn Martin auf d e r Straße von irgendeinem Rüpel in Unifo r m verprügelt wurde. Auß e rde m : eine gutgehende Praxis zu überneh m en und sich einen ko m pe t enten Mitarbeiter zu sichern, der nicht in der Lage war, zu prote s tieren, sollte m a n ihm seine Einkünfte kürzen oder gar die Teilhaberschaft aufkündigen, war nicht unbedingt ein B eweis für Opferbereit s chaft. W as die Patienten anging: nie m and ging gerne zu einem neuen Arzt, wenn er m it dem alten zufrieden w ar, das störte die Beque m lichkeit. Aber wären sie auch geblieben, wenn sie dadurch offen gegen das Gesetz verstoßen und sich Schwierigkeiten eingehandelt h ä tte n ? Ma r tin neigte zu sehr dazu, von allem nur das Beste zu sehen, und hatte vor allem im Gegensatz zu ihr k eine Bekan n tscha f t m it dem Grad ge m acht, in dem Menschen andere Menschen ausnutzten.
Während Käthe noch überlegte, wie sie ihm das taktvoll beibringen konnte, sprach er weiter, erzählte von Robert und z og das P hoto der kleinen Martina hervor. Das Th e m a Robert sprengte Käthes B e m ühungen um Takt.
»Ich neh m e an, Robert geht es gut in der W elt des neuen deutschen Fil m s«, sagte sie eisig, »nachd e m er sie m it e i n em Titel wie Iffland der Theaterjude bereichert hat.«
»Das war nicht seine Idee!« protestierte Dr. Gold m ann. »Daran war Astoria schuld. Und ich finde es sehr undankbar von Herrn We r m ut, daß er Robert dafür veran t wortlich macht. Schli e ßlich h a t Robert ihm geholfen, aus dem Gefängnis zu kom m en.«
» W ie großzügig von R obert. W ar das bevor oder nachdem e r Goebbels die Hand geschüttelt und die Regie für diese Fontaneverfil m ung bekom m en hat? Nur für den F a ll, daß er vergessen hat, das Ihnen gegenüber zu erwähnen, Martin, aber Leopold Elbrich sollte Irrungen, Wirrungen verfil m en. Er hat zwei Jahre lang an dem Drehbuch gefeilt und nach Produzenten g esucht, bis d i e UFA die Produktion genehmigte nur um ihn dann a b zusetzen, weil er Jude ist. Aber sie hatten ja einen Regis s eur in petto, der sofort bereit war, das ganze Projekt zu überneh m en, nicht w a hr? Genau wie vorher Arno W ohl f arts Rolle a ls Großinq u isitor im Schillert h eater. Mir schei n t, Ihr Robert hat es sich zur Aufgabe g e m a cht, die Gelegenheiten auszunutzen, die durch vertriebene Juden entstanden sind!«
Peter W e r m ut arbeitete ebenfalls für die Gazette, und diese Infor m ationen stam m t en alle von ih m , a ber sie ließen sich überprüfen. Es überraschte Käthe, wie s e hr sie sich über das The m a ereifern konnte, denn es gab schlim m ere Beispiele als Robert König. W ahrscheinlich lag es daran, daß sie Robert kannte und daß Martins blind anbetende, gluckenhafte Haltung sie im m er gestört hatte. Auch jetzt ging Dr. Gold m ann m itnichten auf ihre Arg u m ente ein, sondern m einte nur unverbrüchlich blauäugig, daß Robert schließlich arbeiten m üsse, um seine Fa m ilie zu ernähren, daß er seine Freunde
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