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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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versöhnliche W eise wieder z u r Frage der E m igration führen würden. Sie erzählte ihm ein wenig über ihre gegenwärtigen Beschäftigungen und hütete sich, die Schwierigkeiten m it der Aufenthaltsgeneh m igung zu erwähnen. Statt dessen m achte sie einen Scherz über den Lehrerberuf, der einen nicht aus seinen Klauen entließ, und ging dann zum Bericht über die Gazette und andere E m igrantenzeitungen über.
    »Und, nun raten S ie, wer sich da am m eisten engagiert, sich zum Herausgeber gewandelt hat und versucht, all die Berüh m theiten unter den E m igranten zu Beiträgen zu überreden?«
    Dr. Gold m a nn schüttelte den Kopf. Dieser Tage hörte man in Deutschland über die E m igranten nu r , was vom Staat für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. Selbst die Frankfurter Zeitung, s ein a ltes Lieblingsblatt, das sich länger als die m eisten dem neuen Ton widersetzt hatte, schrieb nun von »Parasiten, die wir zum Glück losgeworden sind«. Er versuchte, sich an die Zeit vor dem Krieg zu erinnern. Gewiß hatte im Kaiserreich auch Z e nsur geherrscht, aber es hatte doch Möglichkeiten gegeben, andere Meinungen als die der Regierung zu hören und zu lesen. Außerdem wäre es nie m andem in den Sinn gekom m en, ihm unter Beru f ung auf einen unwissensch af tlichen Blut m ystizismus die Behandlung von Patienten zu verbieten. Der Gedanke sch m erzte zu sehr; h a stig schob er ihn beiseite.
    »Klaus Mann!« verkündete Käthe, als er keinen Versuch m achte, es zu erraten. »Als ich vor Jahren seine Schwester kennenlernte, bei einer Veranstaltung der Liga, hat s i e auf m ich einen guten E indruck ge m acht, aber er… ganz ehrlich, ich habe diesen jungen Mann i mm er für ein beklagen sw ertes Bei s p i el bourgeoiser Dekadenz gehalten, und ich gestehe frei, m i ch geirrt zu haben. Er hat fast jeden bekannten Schriftsteller überredet, gegen Hitler zu publizieren, und da m an hier im Ausland nur auf Berüh m theiten achtet, fällt das sehr ins Gewicht.«
    Jetzt erinnerte sich Dr. Gold m ann dunkel an etwas, das er gelesen hatte. Vorsichtig erkundigte er sich, ob sich aber nicht Thomas Mann selbst von der ersten Zeitschrift seines Sohnes, der Sammlung, und dem Artikel seines Bruders Heinr i ch in der Eröffnungsnum m er distanziert habe, in einem Telegramm an sei n en V erle g er. Die Angelegenheit war in Presse und Rundfunk breitgetreten worden, weil Tho m as Mann i m Geg e nsatz zu seinem Bruder und seinem Sohn zwar im Ausland le b t e, aber er war weder ausgebürgert worden, noch hatte m an seine W erke auf die Liste zu verbrennender Bücher geset z t. Die Frankfurter Zeitung ließ durchblicken, daß m an auf die Rückkehr des Nobelpreisträgers hoffe.
    »Tho m as Mann«, antwortete Käthe ä r gerlich, »ist ein Feigling, der sich um den Verkauf seiner Bücher in Deutschl a nd sorgt. Er will nur nicht, daß sie dort verboten werden.«
    Die Versuchung, sie in ihrer rig i den Haltung ein wenig zu necken, überfiel Dr. Gold m ann, und er gab ihr nach. Sich räuspernd, m einte er: »Das fi n de ich se h r verstän d lic h . W ürden Sie m ir nicht zusti mm en, Käthe, daß der Verlust von Tho m as Manns W erken für die deutschen L eser und die deutsche K ultur untragbar wäre? S ein Sohn hingegen m ag ja die richtige Gesinnung haben, doch nach dem wenigen zu urteilen, was ich von dem jun g en Herrn Mann kenne, läßt sich der Verlust seiner W erke durchaus versch m erzen.«
    »Martin!« D ann be m erkte sie sein S ch m unzeln. Inzwischen waren sie bei einem Bistro angelangt, das sie von ihrem früheren Besuch in Paris kannten, und bis sie einen T i sch gefunden und sich niedergelassen hatten, war Käthe längst nicht me hr aufgebracht, obw o hl er ei n e so ernste Angelegenheit eigentlich nicht zum Gegenstand eines Scherzes m achen sollte. Sich den Stuhl zurec h tr ü cken zu las s en, eine Speisekarte zu studieren, ohne innerlich wieder und wieder die eigene Barschaft nachzurec h nen, Nichti g keiten üb e r die richti g en W eine zu Ente oder Kalbslen d e ausz u t a u schen übte einen gefährlich einsch m eichelnden Zauber auf sie a u s. Ich habe gut von bourgeoiser Dekadenz reden, dachte sie reu m üt i g, und bin doch selbst so anfällig da f ür. Mein Leben lang waren m ir Äußerlich ke iten gl e ich g ültig, und jet z t… ver m isse ich sie.
    »Du m eine Güte«, sagte Martin Gold m ann plötzlich, »sehen Sie doch, was man hier anbietet: Gefilte Fisch!« Er s etzte ei n e s p itzbü b ische Mie n e

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