Unter dem Zwillingsstern
al befürchtet, aber es nie m als von Marianne geglaubt. Marianne war har m los, ihre steife ältere Schwester, über die m an sich leicht und ungestraft lustig m achen konnte, auch wenn sie einem hin und wieder leid tat. Sie m ußte Marianne tiefer gekränkt haben, als es je ihre Absicht gewesen war.
Ratlos, was sie als nächstes tun sollte, bückte sie sich und tastete im Schatten des Tisches nach ihrer Brille, während sie g l eichzeitig darauf wartete, endlich hinausges c hickt zu werden. In dem Schweigen hörte sie Mariannes stoßweise Ate m züge. Endlich schlossen sich ihre Finger um die Brillengläser. S i e ric h tete sich wieder auf, verzichtete aber darauf, die Brille wieder aufzusetz e n. Manch m al war es gut, nicht alles im Detail sehen zu können. In der ges p annten Stille gab sie sich einen Ruck und m u r m elte:
»Es tut m i r leid, Marianne.«
Erst jetzt sagte ihr Vater: »Geh auf dein Zim m er.«
Carla schob den Stuhl zurück, kni c kste in Philipps Richtung und lief e rl e icht e rt h inaus. Obwohl sie s i ch nic h t s i cher s ein ko n nte, wurde sie das Gefühl nicht los, daß Ma ri an n es V e rl ob t er w ährend der ganzen Zeit nicht aufgehört hatte, sie anzusehen.
Ende Sept em ber kam Robert nach München, was m ittle rw eile ei n seltenes E r e ignis w a r. S eit d em Tod sein e r Gr o ß m utter wu r de er in den Ferien von seinem Vater auf alle m öglichen Reisen m itgeno mm en. Die Postkarten, die er ihr zu diesen Gelegenheiten schic k te, waren wie seine Briefe kurz, voller Zeichnungen und lösten die übliche Mischung aus Freude und Eif e rsucht in ihr aus. In kleinlichen Stim m ungen dachte sie, daß es o h nehin nicht m ehr lange dauern könnte; ganz gleich, wieviel Rainer König geerbt hatte, wenn er i mm er nur ausgab und selbst nichts verdiente, dann ging ihm irgendwann das Geld aus.
Im letzten Jahr hatte R obert angefangen, ungeheuer zu w achsen, und noch nicht wieder aufgehört. Die kindliche Pummeligkeit war dahingeschmolzen, und es gab noch kein Anzeichen dafür, daß sie zurückkehren würde, obwohl er in seinem üblichen Heißhunger vier Klöße hintereinander aß, wenn er und Carla von Dr. Gold m ann in dessen Lieblingslokal eingeladen w urden. Meistens waren sie jedoch alleine unterwegs. Er beneidete sie um ihr Fahrrad, und in dem befriedigenden Gefühl, großzügig zu sein, gesta t tete sie ihm hin und wieder, es zu fahren, während sie auf d e m Gepä c kträger saß.
Er erzählte ihr von seinem letzten Schulaufführungstriu m ph. Nach der Vorstellung hatten sich einige E l tern bei dem Direktor beschwert, weil die Jungen, die in J ulius Caes a r Cassius und Antonius spielten, o ff ensichtli c h vi e l ä lt e r u nd er f ahre ne r waren als die ü b rigen Mits p i eler.
»Und du hättest ihre Gesichter sehen sollen, als er ihnen sagte, daß ich beide Rollen gespielt habe und genauso alt bin wie die anderen. Und das war, bevor sie herausfanden, daß ich außerdem noch den Text gekürzt und Regie geführt habe.«
Er zog einen of t m als gefalteten Zeitungsaussch n itt aus der T asche.
»Hier, sonst glaubst du m ir wieder nicht.«
Sie glaubte ihm durchaus, aber sie m achte trotz d em ein skeptisches Gesicht, während sie den Artikel aus dem Lubeldorfer Tagblatt durchlas. Es fiel i h r a u f, daß die Initialen unter dem Artikel genau die gleic h en waren wie unter all den Beiträ g en, die er i h r bi s her stolz präsenti e rt h atte.
»Also, entweder M.K. ist ein Pseudonym von dir«, sagte Carla kopfschüttelnd, »oder von deinem D i rektor!«
Robert lehnte sich gegen den Brunnen, vor dem sie standen, und schnitt ei n e Gri m asse, ehe er zugab: »Von d e m Direktor.«
»Also, daß er die Werbung für seine W aldorfschule so nötig hat…«, neckte sie ihn, was Robert durchaus erkannte, doch es war ihm wichtig genug, vor ihr zu glänz e n, daß er erwiderte: »Es stim m t aber alles.«
» W ie kannst du überhaupt Cassius und Antonius gleic h zeitig spielen? In einer Szene sind sie do c h gleichzeitig auf der Bühne!«
Keiner der beeindr u ckten Erwachs e nen, die den Kreis seiner ergebenen Bewunderer bildeten, hatte dar a n gedacht, sich danach zu erkundigen, dachte Robert, aber das m achte seine Freundschaft m it Carla aus. S i e wußten b eide, wie m an die wir k lich wichtigen Fragen stellte.
»Ich habe gekürzt und den Text neu verteilt, ganz einfach«, antwortete er. »Max Reinhardt m acht das ständig.«
Während der letzten Ferien war Papa
Weitere Kostenlose Bücher