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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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erholte.
    Carla konnte nicht widerstehen. Sie riß die Augen auf und sagte so verwundert wie m öglich: »Aber der Film ist doch überhaupt nicht bodenständig! W eißt du, die zeigen hier auch einen über F riedrich den Großen, da brauchen sie dringend Zuschauer wie dich. Ihr Österreic h er h a b t es ja n icht s o m it den Preußen wie wir.«
    Philipps Ausdruck veränderte sich, und Robert setzte sich jäh auf, denn er erkannte diesen Blick. Ver b lüfft wandte er den Kopf zu Carla und versuchte sie erst m als so wie ein Fre m der zu sehen. Es stim m te schon, sie hatte sich in der letzten Zeit verändert. Selbst ohne ihr langes Haar würde sie nie m and je für einen Jungen halten; ihre Brüste waren noch klein, aber deutli c h gefo r m t, und die Hosen, die sie trug, betonten ihre Hüften. Für R obert hatten diese Veränderungen an Carlas Körper nichts Gehei m nisvolles. Eine der »Traust du dich« Herausforderungen, die sie sich geleg e ntlich gegenseitig auferlegten, bestand darin, sich nackt auszuzi e hen, und er war bei solchen Gelegenheiten immer mehr daran int e ressiert gewesen, schlagfertige Antworten auf Carlas spöttische Kom m entare über Rettungsringe oder m erkwürdige Größenverhältnisse parat zu haben. Aber dieser erwachsene Mann betrachtete Car l a m it einer Mischung aus Gereiztheit und Hunger. Robert spürte eine eigenartige Mischung aus Beunruhigung und Belustigung, als er dachte: Nun, sie ist hübsch.
    »Deine Geschichtskenntnisse«, sagte Philipp, und seine Stim m e klang kühl und gelassen, ganz im Gegensatz zu seinem Blick, »scheinen w i rklich m angelhaft zu sein. Zur Zeit von Friedrich d e m Großen lagen Österreich und Preußen im Krieg. Je m and sollte d i r besseren Unterricht erteilen, m ein Kind, bevor die Lücken in deiner Erziehung ein m al zu oft auffallen.«
    D a m it drehte er sich u m und schritt auf den Ausgang zu. Es war, wie Robert zugeben m u ßte, eine perfekter Satz für einen Bühnenabgang. Er pfiff leise.
    »Laß das«, sagte Carla verärgert. Ihre W angen brannten. N atürlich wußte sie das über Preußen und Österr e ich; sie hätte die Falle sehen müssen, in die sie sich selber ge br acht h a tte. Philipp w a r kein so leichtes Ziel wie Marianne, und er ließ sich offenbar längst nicht so schnell provozieren.
    Da Philipp m it Sicher h eit die Au f m erksa m keit des Vor f ührers auf sie gelenkt hatte, war es sinnlos geworden, darauf zu hoff e n, übersehen zu werden. Carla stand auf und stellte fest, daß Robert sie m it dieser selbstzufriedenen Miene beo b achtete, die er aufsetzte, wenn er glaubte, m ehr zu wissen als sie. E r begann wieder zu pfeifen, während er sich ebenfalls erhob und m it ihr den V orführraum verließ. Dank ihres opernbegeisterten Vaters erkannte sie nach einiger Zeit auch die M elodie. Es war die Habanera aus Carmen. Sie zog ihre Brauen zusammen.
    » W as soll d a s ? «
    »Na, ich kann auch singen. Du we i ßt schon, Ja die Liebe hat bunte Flügel… Kein W unde r , daß deine Schwester nicht m ehr m it dir spricht. Der Kerl i s t scharf auf dich.«
    »Du spinnst. Er kann m i ch nicht ausstehen, er spricht ka um m it m i r, und außerdem bin ich erst zwölf.«
    Während sie das sagte, wurde ihr war m , und sie wußte nicht, ob sie verlegen oder wütend war. W i e l ächerlich einundzwanzigjährige Männer verliebten sich nicht in d i e zwölfjährigen kleinen Schwestern ihrer V e rlo b ten.
    Obwohl er sie wirklich l ä nger ansah als Marianne.
    Robert schüttelte den Kopf. »Trotzde m .« Be t ont lässig f ügte er hinzu: »Ich kenn m i ch da aus.«
    Das riß Carla aus den Spekulati o nen darüber, ob Philipps Zweig der Bach m aiers wohl arm war und er Marianne wegen ihrer Mitgift heiratete, und sie lächelte etwas h e rablassend, bereit, in die nächste Runde von Roberts Prahlereien einzusteigen.
    »Sicher.«
    »Nein, im Ernst. Mir ist das jet z t schon öfter passiert. Du glaubst nicht, wie v iele einsa m e Da m en und Herren in den Hotels und Bars heru m hängen, wo m ein Vater sei n e Zelte aufschlägt. Die denken alle, ich bin vierzehn oder fün f zehn, wegen der Größe. Und ich kann dir sagen, m anche werden schon ganz schön deutlich.«
    Es war ein eigenarti g es Gefühl gewesen, herauszufinden, daß er über diese Art von Macht verfügte beängstigend und berauschend zugleich. Er war es schon lange ge w ohnt, Papa und Dada Gold m ann um sich ko n kurrieren zu sehen, und diesen W ettbewerb hatte er i m Griff. Das war

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