Unter dem Zwillingsstern
überwinden, doch inzwischen bin ich froh, diese Zeit m iterleben zu können. Als der Führer an die Macht ka m , lag Deutschland am Boden. Inzwisc h en haben wir eine blühende W i rtscha f t, unser Ansehen im Ausland ist wiederh er gest e llt, die Verluste des Krieges wieder wettge m acht, und nie m and kann leugnen, daß wir das dem G e nie des Führers zu v e rdanken haben. Nur für Ihr Volk sind Nachteile entstanden, Dr. Gold m ann, also sind Sie wohl kaum in der Lage, objektiv über das n e ue Deutschland zu urteilen.«
Manche Albträu m e hatten es an sich, daß m an i hre Entwicklung, das Ende, auf das sie hinsteuer t en, genau absehen und die Entwicklung dorthin dennoch nicht aufhalten konnte. In genau dieser Art von Albtraum fühlte sich Robert jet z t gefangen. Er wußte, worauf diese Szene hina u slaufen würde. Nur wenn er s i ch um drehte u n d auf der Stelle verschwand, würde er daran etwas ändern können, und es würde doch nur einen Aufschub bedeuten. Er schaute zu Monika und beschloß, sie für das, was er gleich tun würde, büßen zu lassen. Daß er es ohnehin irgendwann tun m ußte, spielte keine Rolle. Sie hatte gerade d en Anlaß geliefert, und sie würde dafür beza h len. In m anchen Höllen hatte m an gerne Gesellschaft.
»Monika, mein Schatz«, sagte er l a ut und trat zu ihr, während Dr. Gold m ann noch um Fassung rang, »entschuldige uns bitte. Dada und ich m achen einen kleinen Spaziergang.«
Verwirrt über seinen unerwartet freundlichen T on, runzelte sie die Stirn. Er trat noch ein wenig näher, u m ar m te sie und flüsterte ihr ins Ohr: »Sei bitte da, wenn ich w i eder zurückkomme. Ich habe eine Überraschung für dich.«
Dann wandte er sich Martin Gold m ann zu, packte ihn a m A r m und zog ihn m it sich in den Flur. » W ir müssen etwas besprechen«, sagte er kurz, drückte Dr. Gold m ann seinen Mantel in die Hand und verließ m it ihm die W ohnung, in der sie zur Zeit lebten. Auf seinen eigenen Mantel verzichtete er. Für einen Oktobertag war es noch war m , und ein leichtes Frösteln würde ihm nur dabei helfen, seine Konzentration zu bewahren. Er mußte überzeugend sein bei de m , was er vorhatte.
»Ich hätte nicht gedacht, daß Monika so…«, begann Dr. Gold m ann und brach ab. »Sie hat ihn doch f r üher selbst immer den Anstreicher genannt. Meint sie wirklich, was sie da sagt ? «
Robert schaute geradeaus entlang des Bürgersteigs, auf dem einige Spaziergänger pro m enierten, darunter, unver m eidlicherweise, zwei, drei in Unifor m : zwei Hitler j ungen und ein SA-Mann. » W a hrscheinlich. Aber d as spi e lt k e ine Rolle. W ichtig e r i s t, d aß sie r echt hat.«
Auch ohne ihn anzusehen, wußte er, daß Dr. Gold m ann erbleichte und ihn entsetzt anblickte. Der ar m e Dada hatte im m er eine so ausdrucksvolle Mi m i k gehabt und war nie ein guter Lügner gewesen, nie m als.
»Sie hat re c ht da m it, d a ß Martina ni cht m it dei n er Art von I deen im Unterricht herausplatzen darf«, präz i sierte Robert. »Noch vor ihren Freunden. Das können wir uns nicht leisten.«
»Meiner Art? Aber Robert…«
»Es wird schlimm genug sein, wenn sie anfangen m uß, Erklärungen über dich abzugeben. Das w a r schon für m ich ein Proble m . Bei deinem N a m en glaubt m ir nun mal keiner den Taufpaten, und ›Liebhaber m einer Mutter‹ ist nicht unb e dingt das, was m an jedem erzählen m öchte, nicht wahr?«
»Robert, bitte…«
Er sperrte sich gegen den Sch m erz in Dr. Goldmanns Stimme.
» W eißt du, von all den Beziehungen in m einem Leben ist unsere wohl die krankhafteste, und das will einiges heißen bei der reichen Auswahl, die ich anzubieten habe. Aber wenn m an bedenkt, daß du m eine beiden Eltern auf dem Gew i ssen hast, bleibst du ungeschlagen an der Spitze.«
D a m it blieb er stehen und zwang sich, Dada anzusehen. Das wohlvertraute Gesicht wirkte plötzli c h fremd, alt und eingefallen, und der Ausdruck in den Augen war schlim m er, als es ein Mes s er im Rücken je hätte sein können. Denk darüber nach. Nur nicht j e t z t. Jetzt m ußte er zu Ende bringen, was er begonnen hatte; das B and zwischen Dada und sich zertrennen, en d gültig, grü n dlich. Da m it es nichts mehr gab, was Martin Gold m ann in Deutschland hielt. Er betete nur daru m , daß Dadas nat ü rlicher Le b e n swille und d ie Existe n z von Käthe Brod, die auf ihn wartete, genügten, um zu v e rhindern, daß er aus diesem Verrat die gleichen Konsequenzen z og wie die
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