Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
ehr verlassen zu können, zu tun h a tte; da m it hatte er sich abgefunden. Aber er kannte d e n Krieg, kannte ihn nur allzugut. »Den Krieg, um alle an d eren Kriege zu been de n«, hatte m an das jahrelange Ge m etzel genannt, von dem er nun fürchtete, daß es s i ch wiederholte. Die übrigen Länder m o c hten den Ei n m arsch ins Rheinland akzeptiert haben, und auch den A nschluß von Österreich. Dr. Goldmann hatte den Vertrag von Versailles selbst als ungerechte D e m ütigung e m pfunden und gehofft, das Rheinland werde eines Tages wieder eine nor m ale deutsche P r ovinz sein, w enngleich er gedacht hatte, dies werde durch den Völkerbund und auf diplo m atischem W eg geschehen. W i e auch im m er, e r konnte v e rstehen, daß m an Hitler g ewähren ließ, und die Österreicher hatten sich nicht gerade gegen den Anschluß gewehrt. Doch ein f r emdes Land anzugreifen, das m it Frankreich und England verbündet w a r, bedeutete m it Sicherheit Krieg.
    Er bangte den ganzen Septe m ber l a ng, was zu einer seltenen Übereinstim m ung m it Monika führte. S ie saßen stundenlang neben dem Radio, auf die neuesten Nachricht e n wartend, während Robert in Babelsberg einen bösen russischen General im neuesten der Fil m e über Friedrich den Großen spielte. Dann k a m das Münchner Abkom m en, und für Dr. G o ld m ann sah die W elt wieder et w as heller aus. Gewiß, die Tschechen waren zu bedauern; ihre englischen und französischen Bündnispartner hatten sie im Stich gelassen und Hitlers Forderungen geopfert. Aber es würde keinen Krieg geben; jetzt gab es nichts m ehr, das Hitler noch als »von alters her de ut sch« beanspruchen konnte. Robert und sei n er Generation würde es erspart bleiben, sich gegenseitig u m zubringen.
    In den Septe m berwoch e n war ein alter T raum zurückgekehrt, die Erinnerung an einen Gasangriff und an die Überlebenden, die er danach behandeln m ußte, nur daß es in dem Traum Robert war, der ihm unter d en Händen wegstarb. Nachdem Hitler, Cha m berlain und Daladier der Welt in München den » F rieden für unsere Zeit« verkündet hatten, konnte Dr. Gold m ann wieder schlafen, ohne den Traum länger fürchten zu m üssen. Der plö t zliche W egfall von Angst ließ ihn jeden Mo m e nt des friedlichen Oktob e rs, der sich bald dem Ende zuneigte, genießen.
    Martina zupfte an seinem Ä r m el und riß ihn aus seinen Gedanken.
    »Dada, hör doch, Dada!« Eifrig wies sie auf einen der Papageien, dann sagte sie langsam: »Lebens r au m .« Der Papagei wiederholte etwas, das m it einiger Phantasie wie »Lebensrau m « klang, und Martina k l at s chte in die Hä n de. Dr. Gold m ann starrte sie an.
    » W oher hast du denn dieses W ort ? «
    »Aber Dada, das kom m t doch dauernd im Radio. Und der Papagei kann es jetzt ganz alleine sagen. Ist das nicht toll?«
    »Ja, sicher«, m u r m elte Dr. Gold m a nn und entschied, m it Robert darüber zu reden, ob es nicht all m ählich an d e r Zeit s ei, M a rti n a einige Dinge zu erklären.
     
    Robert besuchte gerade m it He l m ut Holpert das Theater am Gendar m en m arkt. Auch die dritte Ins t a nz hatte in z wischen ge r ichtlich gegen Helmuts Antrag, als reinblütiger Arier a n erkannt zu werden, entschieden. Der jahrelange Pr o zeß hatte ihn, ganz abgesehen von der nervlichen Zerrüttung, finanzi e ll ruiniert, und er brauchte dringend ein gutes Engage m ent. Robe r ts letzte Gagenzahlung für seine Rolle als Canaille in Dantons Tod lag schon eine W eile zurück, und derzeit konnte er es sich auch n i cht leisten, Hel m ut etwas vorzustrecken.
    Die Pre m iere von Der Arzt am Scheideweg, m it Gustaf Gründgens als Louis D ubedat, stand kurz bevor, also herrschte die gewohnte Aufregung, und Robert wunderte es nicht, auf dem Weg zu Gründgens einem sichtlich entnervten und schlecht gelaunten Wolfgang Liebenei n er, der d i e Regie füh r te, zu begegnen. Der Anblick des Bühnenbil d ners W illi Sch m idt, der m it blutender Nase und Stirn auf der Bühne lag und von ein paar Hilfskräften verarztet wurde, war schon ungewöhnlicher. Als sie schließlich den Intendanten m it geröteten Augen in s einem Büro f anden, wußte Robert, daß er sich den falschen Tag ausgesuc h t hatte, aber die Angelegenheit duldete keinen Zeitaufschub.
    » W er hat denn den Sch m idt niedergeschlagen ? « fragte er Gründgens betont forsch. »Krauß ? «
    Werner Krauß spielte im Arzt am Scheideweg die Hauptrolle, Dr. Ridgeon. Da er sich n i rgendwo blicken ließ,

Weitere Kostenlose Bücher