Unter dem Zwillingsstern
verwünschte Japanerin.
» W as ist l o s, Ma r ti n ?« f ragte er höhnisch. »Fürchten wir uns vor ein paar unangeneh m en Wahrheiten? W as m eine Mutter angeht, hast du wirklich geglaubt, ich hätte nicht gewußt, wie genau sie gestorben ist? Und m ein Vater, nun, wir wiss e n ja, wann er zu trinken angefangen hat. Das war nicht zu f ällig wäh r end eurer A ff äre? Natü r lich gi b t es langlebige Alkoholiker, nur hab e n die m eistens noch etwas, für das es sich zu leben lohnt. Für m e inen Vater war ich das. Ab e r nic h t für lange, richtig? Erst hast du ihm seine Frau weggenom m en und dann seinen Sohn. Für ihn gab es kein sch m erzloses Gift, nein, er mußte sich in aller Öff e ntlichkeit zu Tode trinken. Du hast ihm nie verzeihen können, daß er m ein Vater war, daß er dir bei der Zeugung um zwei Ja h r e zuv o rge k om m en ist, stim m t ’s? Du m ußt dich wirklich sehr zurückgehalten haben, um nicht auf seinem Grab zu tanzen.«
»Du haßt m i ch«, sagte Dr. Gold m a nn m it erloschener Stim m e . »All die Jahre hindurch hast du m i ch gehaßt.«
»Natürlich hasse ich dich. W enn du es genau wissen willst, ich ertrage es kaum, m it dir in einem Raum zu sein.« Robert hielt inne, dann zwang er seinen letzten Schlag aus sich heraus. »Aber so werden wir unser Leben wohl beschli e ßen, eher früher als später. Neulich waren zwei Herren bei m i r, die wissen w ollten, warum ich eigentlich m it einem Juden zusam m e n lebe und was an den Gerüchten über m eine Mutter und dich dran sei. Ich fürchte, m ein Beharren auf m eine eheliche Abkunft war nicht besonders überzeugend. Am Ende wirst du deinen W illen noch bekom m en, ganz o ff i ziell, m i ch als deinen Sohn und Martina als deine Enk e ltochter. Nur werden wir dann alle d rei in einem Ghetto stecken oder in einem Grab liegen, aber das spielt ja keine Rolle m ehr, nicht wahr, Dada?«
Dr. Gold m a nn wandte sich ab, als könne er es nicht m ehr ertragen, ihn anzublicken. »Nein«, erwiderte er tonlos, und Robert dachte, jede Reaktion sei leichter zu verkraften als diese. Die winzige, nie ganz verstum m ende Stim m e i n ih m , die ihn zu dem m achte, was er war, teilte ihm mit, daß m an so Lear spi e len m üsse. Wie sch ä rfer weit als einer Schlange Zahn/ Es sticht ein undankbares Kind zu haben.
»Nein«, wiederholte Dr. Gold m ann, »so wird es nicht kom m en. Du wirst m i ch nicht länger in deinem L e ben ertragen m üssen.«
Monika wußte, daß et w as ganz und gar n ic h t st im m te, als Robert allein zurückkehrte, und war plötz l ich froh, daß Martina sich bei den Schlossers befand. Seine Miene erinnerte sie wieder an die N acht, als er ihr gesagt hatte, Dr. Gold m ann sei wahrscheinlich sein Vater, und sie zum ersten m al Angst vor ihm e m pfunden hatte. » W o ist Dr. Gold m ann?« fragte sie.
»Er braucht eine W eile, um das bißchen an m e nschlicher Würde zusam m en z uraffen, das du und ich i h m gelassen haben. Und um seine Ausreisepläne in die Wege zu leiten. Ja, Monika, er wird uns verlassen, und ich dachte, das könnten w i r gleich ein wenig feiern. Nur du und ich. W i r sind so selten allein, das schadet unserer Ehe, m einst du nicht ? «
»Ich verstehe nicht…«
»Nein, du verstehst nicht, du verstehst nichts von de m , w a s wirklich wichtig ist, das ist dein Proble m , Monika.«
Sie griff unwillkürlich nach der Lehne des Stuhls, in dem sie saß. Er war fur c hteinflößend, wenn er so vor einem stand, m it seiner großen, wuchtigen Gestalt, aber er wür d e ihr nichts tun. Bei keiner ihrer Streitereien hatte er auch nur den kleinen Finger gegen sie gerührt. Auch jetzt m achte er keine Anstalten, sie zu b erühre n ; statt dessen verschränkte er die Ar m e vor der Brust.
»Zieh dich aus«, sagte er kalt. Sie war m ehr verwundert als empört.
» W i e bitt e? «
»Zieh dich aus. Ich habe m i r d i e Sache m it dem z w eiten Kind überlegt. Z eit, etwas für die deutsche Volksge m einscha f t zu tun. Zieh dich aus.«
»Aber wir können doch nicht…«
»Natürlich können wir. Es wird uns nie m and unterbrechen. Ich lasse dir die Wahl, das Sofa oder das B ett oben, m i r ist es egal, aber ich bin jetzt in der Stim m u ng, m eine ehelichen Rechte auszuüben, ohne Vorkehrungen. Und du möchtest doch noch ein Kind, Monika, oder etwa nic h t? Überleg nicht zu lan g e. Wenn du jetzt nein sagst, ist die Sache ein für alle m al vom Tisch.«
Ihr Stolz gebot ihr, ihn zum Teufel zu wünschen.
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