Unter dem Zwillingsstern
alz« lustig ge m acht hatte, kam seine Anwesenheit se h r un erw artet, und sie war nicht vorbereitet genug, um zu w i ssen, wie sie reagieren sollte. Ihn zu sehen brachte die Nacht von Nan c ys Tod zurück, aber Carla stellte fest, daß sie dabei w eder Fe i ndseligkeit noch die erschreckende Leere, das v ölli g e Erta u btsein a ll e r Ge f ühle er f üllten. Zurü c khaltend, wie je m and, der eine frisch vernarbte W unde berührte, entgegnete sie: »Vielleicht begrüßen wir u n s wie zwei Überle b ende der Titanic?«
»Treffend a usgedrückt. Ich wußte doch, daß es einen Grund gab, warum ich für Sie sc h reiben wollte.«
»Mit Skripts sollten Sie sich an m einen Agenten wenden, Eddie.«
»Meine Liebe, der wackere Kohn e r ist auch m ein Agent, und es handelt sich hier um kein Fil m skript. Ich schulde Ihnen noch etwas, von dem Sie nie geglaubt haben, daß ich es tatsächlich fertigbringe, stim m t ’s? Ein eigens für Sie verfaßtes Theaterstück.«
Die Begegnung weckte den letzten noch ferngebliebenen L ebensgeist, Carlas Ehrgeiz. Nancys Tod war kein Grund, den durch Armadale gewonnenen Vorteil weiter zu verschwenden und nichts als Fil m e m it Rollen zu d r e hen, die s ie inzwischen im Schlaf hätte s p ielen können. Zum Kuckuck, ihre g a nze Rechtfertigung für die sich erweiternde Kluft, die sie zwischen Nancy und sich gespürt hatte, war der Ehrgeiz gewesen, der Umstand, daß ihr Beruf und kein Mensch im Mittelpunkt ihres Lebens stand. Sie war entsetzt, wie weit sie sich hatte gehenlassen.
Carla wäre Feiton in jedem Fall dankbar gewesen, weil er der dritte Rettungsring war, der sie aus den trüben Gewässern von Schuld und Selbst m itleid riß, aber n ach der Lektüre s e ines St ückes f ing si e ern s thaft an, ihre Einschätzung bezügli c h seiner Pe r sönlich k eit zu überdenken. Es überraschte sie n icht se h r, d aß es s i ch um eine Ko m ödie handelte; die Satire war, wie sein Ro m an bewies, seine besondere Stärke. Da sie beträchtliche Zeit keine ko m ischen Rollen m ehr gespielt hatte, erfüllte sie die A u ssicht m it einer Mischung aus Aufregung, Freude und Nervosität, die ihr l a nge gefehlt hatte. W as sie verblüffte, war, daß die W elt seines Stückes im Gegensatz zu den brillant, a b er o b erflächlich g ezeich n eten Personen seines Ro m ans neben dem beißenden W itz auch Charakt e re von echter Tiefe bot. Das traf selbst auf die Nebenfiguren zu, und die Hauptrolle war ein echtes Gottesgeschenk. Es handelte sich um eine Einwanderin, eine polnische Arbeiterin, die nach einem Tag in der Fabrik erschöpft auf einer Bank in New York einschlief, ausgeraubt und dann von einem jungen, beschwipsten Paar aus der H i gh Society gefunden wurde, das sie für Greta Garbo h ielt. Looking for Greta lautete der Titel, und die Art, wie die gewitzte Polin sich du r ch diverse Parties der High Society bluffte und a m Sch l uß, m it ein e r ko m pletten neuen Ausstattung, Sch m uck und drei Heiratsanträgen überhäuft, wieder nach Europa abreiste, kurz ehe Greta Garbos Agent aus H ollywood eintraf, um den Betrug aufzudecken, teilte unterschie d slos Hiebe auf d i e New Yorker Gesellschaft und den Fil m starkult von Los Angeles aus, ohne die Figuren, von d e m naiven jungen Paar über die nervöse Society-Gastgeberin bis zu d e m vom Leben s überdruß geplagten Millionär, je wirklich unsy m pathisch wirken zu lassen. Es war hinreißend, aber Carla b ezweifelte, ob Greta Gar b o es a u ch k o m i sch finden würde, wie ihr ber ü h m tester Ausspruch »I w ant to be left ahne« hier in einen wiederkehrenden Gag verwandelt wurde.
Einen New Yorker Theaterproduze n ten zu finden, der Carla Fehr, Königin der Universal-Horror-Zyklen, in einem neuen, unerprobten Stück und einer ko m ischen Rolle auf die Bühne brachte, war alles andere als einfach, aber es gel a ng, »entweder«, wie Feiton zu Carla be m erkte, »weil der gute M ilo üb e rzeugt i s t, daß m ein Opus ein Renner wird, oder weil er darauf s p ekuliert, daß ganz New York auftauchen wird, um Sie versagen zu sehen, was die Kassen ebenfalls füllt. Scha d enfreude ist so ein ungeheuer zuverläs s i ger Bestandteil des m enschlichen Moti v ationsspektru m s«.
Obwohl sie argwöhnte, daß er m it s einer zweiten Ve r m utung recht hatte, m achte ihr das nichts aus. S i e verbrachte den Herbst da m it, eine W ohnung in New York zu suc h en und sich wieder an den Verlauf von Theaterproben zu gewöhnen; ganze Szenen, ganze
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