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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verwilderten Garten seiner Kindheit.
    » W aru m «, fragte Philipp, »bin ich nicht überrascht, S ie heute h ier vorzufinden? S ie haben eine un g lückselige T endenz, W a rnungen nicht zu beachten, Robert.«
    »Und Sie schulden m i r etwas. Sie sind doch Geschäfts m ann, Philipp, haben Sie geglaubt, daß ich Sie aus reiner Menschenliebe nach London geschickt habe, ohne m i r eine Gegenleistung zu erhoffen ? «
    »Nein. Obwohl ich zugeben m uß, d a ß Sie es hin und wieder fertigbringen, Dinge zu tun, die m ir tatsächlich unerklärlich sind.«
    Interessant, dachte Robert, das klang noch nicht ein m al feindselig, eher resigniert.
    »Heute bin ich die Klarheit sel b st. Ich m öchte, daß Sie Dr. Gold m ann ein V i sum verschaffen, m öglichst für A m erika, aber ich nehme auch jedes europäische Land, in dem nicht gerade ein Seelenverwandter unseres geliebten Führers regie r t. Bis e s soweit i s t, m öchte ich, daß Dr. Gold m ann hier bei Ihnen wohnt, und ich fürchte, in dieser Zeit werden Sie auch m i ch als H ausgast aus h alten m üssen. Nichts für ungut, P hilipp, aber nach alle m , was ge s chehen i s t, werden Sie m i ch erst w i eder los, wenn ich selbst Dr. Gold m a nn die Grenze habe überqueren sehen.«
    »Sonst noch etwas ? « fragte Philipp sarkastisch. »Sie haben doch noch einige jüdische Freunde m ehr.«
    »Habe ich das ? « fragte Robert kalt zurück. »Woher soll ich wissen, ob sie noch a m Leben oder in Fre i heit sin d ? Oder woll e n Sie m i r weis m achen, der Volkszorn letzte Nacht hatte nur Anweisung zur Sachbeschädigung ? «
    Philipps Augen verengten sich. »Es wurde getan, was getan werden mußte.«
    »Reden Sie sich d as n ur weiter e i n. Vielleicht glauben Sie es irgendwann, aber ich d e n ke, Sie sind zu i n telli g ent dazu, u n d wissen Sie, Phil, Sie haben da diesen s t örenden m ens c hlichen Kern in sich. W i e auch immer, wenn Sie Dr. Gold m ann zur Ausreise verhelfen, dann tun Sie ja genau das, was der Führer sich wünscht, oder? Sie vertreiben einen Juden aus Deutschland.«
    In der Kälte des Novembervor m itt a gs sah m an die kleinen weißen Wolken, die ihr Atem bildete, wie Streitrös s er, die aufeinander lo s stür m t en. Robert spürte die Ader an seiner Schläfe pochen und stellte fest, daß er zuviel Kaffee getrunken haben m ußte. Sein Herz schlug in einem heftigen, ungleich m äßigen Rhyth m us.
    »Also gut«, sagte Philipp. »Er bleibt hier. S i e bleiben hier. Er bekom m t ein Visu m . Ab e r nie m and sonst. W enn er Deutschland in Sicherheit verlassen hat, ist m e ine… Schuld Ihnen gegenüber ein für alle m al getilgt.«
     
    »Paraguay?« wiederholte Dr. Gold m ann kons t erniert, als Robert ihm zwei Tage später die Neuigkeiten brachte. »Aber ich spreche kein Spanisch. Ich kenne nie m anden in Paraguay. Ich kenne überhaupt nie m anden in Süda m erika.«
    »Du sprichst Französisch und Latein, da wird Spanisch nicht so schwer sein. Es war das schnells t e V i su m , daß er bekommen konnte, und vor allem gab es noch einen P l atz auf dem Sch i ff dorthin. Dada, ich habe einfach zu große Angst, um noch länger zu warten, ob sich nicht doch etwas Besseres bietet. Du brauch s t n i cht in Paraguay zu bleiben. Carla wird sich be m ühen, d i r von dort aus ein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten zu bes c haffen. Aber dort bist du erst ein m al in Sicherheit, und wir können beide wieder nachts ruhig schlafen.«
    »Das wird sich zeigen«, entgegnete Dr. Gold m a nn traurig. »Ich habe die Zeitung gelesen.« Er hatte a u ch einige vorsichtige Anrufe unternom m en. Von seiner weiteren F a m ilie und seinen jü d i s chen Bekannten waren zwei tot und zehn ver h aftet, nicht, um ins Gefängnis gebracht zu werden, sondern in eines der Lager, von denen m an nicht redete.
    »Die Hölle ist da, Robert, und du m ußt m i r versprechen, dich nicht von ihr vereinnah m en zu lassen, a u ch wenn ich nicht m ehr hier bin. Denk an unser Gespräch darüber. Und bitte, küm m ere dich mehr um Martina. Sie braucht dich.«
    »Sie haßt m ich.« Robert schaute ihn offen an. »Wenn du imm e r noch glaubst, daß ich dich in B e rlin nur verletzten wollte, dann kannst du es poetische Gerechtigkeit nennen.«
    Dr. Gold m a nn blinzelte. »Selbst wenn sie dich im Mo m ent haßt, kannst du ihre Liebe wiedergewinnen, Robert. D u bist sehr gut darin. Ein Kind braucht seinen Vater… und ein Vater braucht sein Kind. Ich habe im m er das Kind gehabt, das ich

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