Unter dem Zwillingsstern
aier. Es tut m i r leid, daß ich Sie störe. Hier spricht Carla Fehr.«
Schweigen am anderen Ende.
»Frau Bach m aier, ich rufe wegen z w eier Freunde an. Aus keinem anderen Grund.«
Stumm richtete sie e ine Bitte an den großen Unbekannten, die Frau nicht auch, wie Monika, aufhängen zu lassen.
»Ja… ja natürlich… entschuldigen Sie… es ist nur… ich habe nie da m it gere c hnet, Ihre Stim m e zu hören, Frau Fehr. Das kom m t so unerwartet.«
»Für m i ch ebenfalls«, entgegnete Carla ehrlich. Es lag ihr auf der Zunge, auf das W eiterreichen des Telefonhörers zu drängen, aber das Risiko, daß die Frau auflegte, war im m er noch vorhanden.
»Ja, also… oh Gott, S ie rufen ja aus A m erika an, stim m t’s? Also wegen Ihrer Freunde, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu m achen. Wenn es die sind, die ich m eine. Der Robert ist heute m it dem Dr. Gold m ann nach Ha m bu r g gefahren. Philipp hat ihm ein Vi su m für Paraguay besorgt, dem Dr. Gold m a nn, m eine ich, nicht Robert. Sie haben die letzten Tage hier gewohnt.«
Die plötzliche Erleichterung m a c hte sie einen Mo m ent lang schwindlig.
»Danke«, stieß sie hervor. »Frau B a c h ma i e r , S i e w i ssen nicht, was m i r gerade für ein Stein vom Herzen gefallen ist.«
»Ich glaube schon«, entgegnete die m ädchenh a fte Stim m e unerwartet ern s t.
Erneut kehrte verlegenes Schweigen ein. »Soll ich Philipp holen ? « fragte Elfi Bach m aier dann, m er k lich kühler. Carla traf eine Entscheidung.
»Nein. W i e ich schon sagte, ich h a be nur m einer Freunde wegen angerufen. Noch m als herzlichen D ank, Frau Bach m aier. Und ich wünsche Ihnen alles Gute.«
»Danke, Frau Fehr. Das wünsche ich Ihnen auch, ehrlich.«
Nun, wie es schien, standen Phili p ps Aktien in seiner Ehe derzeit besser als Roberts. Leider bes a ß Kathi keinen eigenen Telefonanschluß. Carla überlegte, ob s i e es in der Redaktion der Gazette versuchen sollte, doch das schien i h r zu unsicher. Am Ende war Kathi gar nicht dort, und eine Nac h richt konnte verlegt werden. Nein, sie würde K athi ein Telegramm schic k en, auf englisch, da hier keine deutschen T elegram m e entgegengenom m en wu r den.
»Dr. Goldmann auf d e m W eg nach Paraguay kom m e du hierher Carla«, wiederholte die Telefonis t in, ließ sich das bestätigen und rechnete nach. »Junge, Junge«, kom m entierte sie, »heute ist wirklich der Tag, wo Sie m i ch reicher m achen.«
Nachdem d i e Ungewißheit aus der Welt war, hatte Carla Z eit, über das Ereignis an sich nachzudenken. Eine ein m alige Aktion, der Höhepunkt einer jahrelangen De m ü tigung… oder erst der Anfang von etwas Neue m ? Sie erin n erte s ich an eine Unterredung m it Philipp v o r Jahren, als er von den w irtschaftl i chen Vorteilen einer erzwungenen Auswanderung aller Juden sprach. Das m ußte es sein, darauf m ußte es hina u sla uf en: auch di ejeni g en Juden, die bis jetzt in Deutschland ausgeharrt hatten, dur c h verstärkten Terror zur Auswanderung zu zwingen. Sie konnte sich vorstellen, wie Kathi bereits über einem e m pörten Artikel saß nein, ihn mit Sicherheit schon geschrieben und abgeliefert hatte -, fester denn je überzeugt, gegen diese Ungerechtigkeit ankä m p fen zu m üssen. Während sie, Carla, hier in A m erika Sicherheit und Komfort genoß und nichts w eiter tat, als in Interviews scharfe B e m erkungen zu m achen und sich an dem von Cha r lotte Dieterle aufgestellten Flüchtli n gsko m itee zu beteiligen. Es m ußte doch noch m ehr geben. Irgend etwas, das a u ch sie in d er Lage war zu tun.
Sie saß gerade grübelnd über einer T asse Kaffee im Claridge’s, als je m and sie ansprach.
»Carla ? «
Die Stim m e klang vertraut und b e tonte ihren N a m en auf eine eigenartige, einzigartige Weise, nic h t deutsch, m it dem harten K-Laut, nicht englisch, m it d e m e rsten a als Mischton zwischen a und o, sondern geschwungen, italienisch. Nur eine einzige Person hatte das je getan. Carla blickte auf und schaute in das fahle, ausgehöhlte, früher so m akellos schöne Gesicht der Frau, die für sie ein m al den Glanz der m ondänen W elt verkörpert hatte.
»Eleonore!« rief sie, halb erschrec k t, halb erfreut, und stand auf. Sie hatte kaum m ehr geglaubt, E leonore von Mendelssohn je wiederzusehen. Unsicher, wie sie e m pfangen werden würde, reic h te sie Eleonore die Hand, doch statt sie zu schütteln, trat E leonore an sie heran und u m a r m t e sie.
»Carla Fehr«, wiederholte sie und
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