Unter dem Zwillingsstern
Heinrich Fehrs Vater. W enn sie ein Junge gewesen wäre, würde er dann auch von seiner Geschichte einer a m erikanischen Ehe abgewichen s ei n ? Ganz sicher nic h t. Dann wäre auch ihre Mutter noch a m Leben, genau wie… nein. Daran wollte sie jetzt nicht denken.
»Marianne und Philipp haben m i ch auch zur Hochzeit eingeladen.«
»Ja«, sagte ihr Vater zu ihrer Überraschung, »ich weiß.«
»Und ? « fragte Carla und konnte nic h t verhindern, daß ihre S t imme schnippisch klang. »Darf ich dich begleiten ? «
Ihr Vater s ank wieder in s e i n en Sessel zurück. » W enn du versprichst, dich gut zu beneh m en.«
Gnädig und deutlich erheitert fügte er hinzu: »W enn du d i ch sehr gut benimmst und es fertigbringst, daß deine Schwester dich a m Ende dabeh a lten will, ha s t du ei n en W unsch f rei. W as würdest du dir wünschen?«
Das m öchtest du ganz bestim m t nicht wissen, dachte Carla und ließ einen Mo m ent lang die Erinnerung zu. Die Antwort, die sie gab, um den Sch m erz wenigstens ein wen i g wettzu m achen, war keine Lüge, aber s ie wählte absichtlich etwas von dem sie wußte, daß es ihn wütend m achen würde.
»Einen Trauschein«, sagte sie, »einen a m erikanischen Trauschein.« Diesmal stand er weder auf, noch schickte er sie auf ihr Zimme r . Aber das Schweigen z w ischen ihn e n pulsierte m it alle m , was ungesagt blieb, und lastete so schwer wie ein Ma n t el aus Eisen auf Carlas Schultern.
Mein lieber Halef - vi e le Grüße aus der Sta d t de s Lic h ts. P a ris ist toll, und Papa zumindest hört sich an wie ein Einheimischer. (Meistens; ich schreibe derweilen an meinem heimli c hen Reis e f ü hrer Getränke Europas und wie m an sie aufwischt ) W enn wir zurückkommen, hat Max (Du we i ßt schon d e r Direktor) bald Hochzeitstag, und weil Kleist sein Lieblingsdic h ter ist, will die Theatergrup p e d.h. meine We ni gkeit die b esten S z e n en aus den Stücken spielen. Alle r dings habe ich Probleme mit dem Käthchen; Helmut (der Junge, der sie spielen s oll) verdreht die Augen wie ein Sch a f, aber mir fällt auch keine bes s e r e Interpretation ein. Wie würdest Du Käthchen spiele n ? Schreib nach Paris, poste restante, ich glaube, wir bleiben noch eine Weile hier. Sam.
P.S. Du siehst, ich übe mich in Bescheidenheit. Et tu, Brüte?
Mein lieber Sam ich würde das K ä thchen überhaupt nicht spielen. Bringst Du es fertig, jemand e n anzuhimmeln, der Dich prügelt? Nimm lieber eine Szene aus Pent h esilea. Bei uns ste h t a uch eine Hochzeit ins Haus. Im Moment sitze ich mit meinem Vat e r im Zug, auf dem Weg nach Österreich. Inz w ischen ist ihm eingefallen, daß er wegen seiner Fehde mit der Kirche Marianne nicht zum Altar führen kann; wann er ihr die s e freudige E röffnung m a chen will, h at er allerdings noch nicht gesagt. Wie w är’s mit ei n em Zusatzartikel f ü r deinen Rei s eführe r : Hochzeiten im Ausland oder Die Freuden des Fa m ilienle b ens! Text folgt. Halef.
P.S. Übe w e iter. Aber bevor ich mich anschließe, muß ich erst herausfinden, ob Du recht hast. Es grüßt dich - Mata Hari.
Die erste wirkliche Reise ihres Lebens, denn gelegentliche E xpeditionen nach Starnberg, an den Teg e rnsee oder n ach Gar m isch zählte sie nicht dazu, verlief m e hr oder weniger ereignislos. Anfangs schaute sie lange aus dem Fenster, a b er bald wurde sie der Alpen m üde, kritzelte ihren Brief an Robert und w andte sich dann den Büchern zu, die sie als Reisele k türe m itgebrac h t hatte. Ihr Vater sprach nur sporadisch m it ihr; m eist saß er über geschäftlichen Unterlagen und betrac h tete sie stir n runz e l n d.
Carla lief ein m al durch den ganzen Zug, was nicht leicht w ar, denn die Abteile der zweit e n und dritten Klasse mit ihren Holzbänken waren überfüllt, und der viele Rauch brachte sie zum Husten. In einigen Gängen saßen die Menschen auch auf ihren Koffern. Ihr fiel besonders eine etwa dreißigjährige Frau auf, weil sie so exotisch aussah, m it schwarzem Haar, bräunlicher Haut und leicht schräggestellten Augen, die Carla an Robert erinner t en. Durch i h r Haar zog s i ch wie ein Blitz eine weiße Strähne. Sie saß auf einem riesigen Schrankkoffer, ihr zu F üßen zwei kleine Jungen, die sich lauthals über den Lärm und das ständige Gerüttel besch w erten. E i ner von beiden war m üde und wollte s chlafen, der andere wol l te seinen Te d dybären und außerdem etwas zu essen. Die dunkelhaarige Frau schaute zu ihnen
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