Unter dem Zwillingsstern
gewohnt war, Packpapier wieder zu verwenden. Er trug seine gewohnte kühle, b e herrschte Miene zur Schau. Als er den Titel des Buches las, hoben sich seine Mundwinkel ein wenig. D ann öffnete er die Karte.
»Nun«, sagte er und schaute sie an, »das verblüfft m i ch etwas, aber ich danke dir.«
Zufrieden entspannte sie sich und m erkte jetzt erst, daß sie unwillkürlich den Atem angehalten hatte. Der erste Teil i h res Pla n es hat t e funktioniert, und das Schöne daran war, wenn Robert sich irrte, dann verlor sie trotzdem kein bißchen das Gesicht dabei. Es war ein Spiel, weiter nichts, und wie Robert e m p f and sie die Möglichkeit, Macht über einen Erwachsenen zu besit z en, als ein neues, aufregendes Spiel. Außerdem war es eine gute Gelegenheit, Philipp die B e m erkung über ihre m angelnde Erziehung hei m zuzahlen.
Sie m ußte etwas bei den Bach m ai e rschen Verwandten herumsitzen und Konversation treiben, ehe sie d e n Raum v e rlassen konnte, was sich als unangenehm erwies. Die w enigsten sprachen m it ihr; m eistens st a rrten sie an ihr v orbei. I h r Vater wurde e twas m ehr in die Unterhaltung bei Tisch einbezogen, a b er nur sehr gezwungen; m an richtete hauptsächlich über Marianne das W ort an ihn. Schließlich erkannte Carla, daß ihr Vater hier ebenfalls als ein unpassender Außenseiter betrachtet wurde. Sie war sich nicht sicher, was sie darüber dachte. Ganz gleich, wie sie für i hn empfand, er war immer das Zentrum ihrer kleinen W elt gewesen, e i n unzerstörbarer Riese. Ihn nun von einem Haufen Fr e m der herabl a ssend behandelt zu sehen rief ein eigenartiges G e m isch aus Schad e nfreude und Empörung in ihr wach. Als ihre Zimmergenossin, das g r äßliche Balg, von ihrer Mutter weggebracht wurde, nutzte Carla di e Gelegen h eit, um ebenfalls zu flüchten. Hinter sich hörte sie noch das Gegackere der alten Tanten darüber, was für ein entzückendes Kind das Sopherl doch sei m it seinen goldenen Löckchen und den him m elblauen Augen. Sie rü m pfte die Nase und suchte die Bibliothek in diesem Haus, was ihr bei all den hellerleuchteten, zum E m pfang geric h teten Räu m en nicht weit e r schwerfiel. Dort wartete sie dann auf Philipp.
Auf der Karte stand, daß sie ihn h i er dringend allein treffen müsse. Sie griff sich einige der Bücher und stellte fest, daß die E i nbände aneinander klebte n ; s i e mußten ewig lange nicht m ehr aus den Regalen geno mm en worden sein. Außerdem waren es vorwiegend Gesa m tausgaben. Ar m e Marianne. S ie h e ir a tete in eine Fa m ilie ein, die Bücher nach Metern einkaufte und sie dann nie las.
Ihr fiel ein, daß sie nic h t als Mar i annes kleine S chwester in dies e m Raum war, und sie setzte ihre Br i lle ab. Dann stützte sie sich m i t einem Ellenbogen gegen eine Reihe der dicken, ungelesenen Gesa m t ausgaben und lehnte sich gegen das Regal, in einer Pose, die sie in ei n er M o dezeitschrift aus d e m Laden, von w elchem das Material für Mariannes Schal stammte, gesehen hatte. S i e hoffte nur, daß Philipp ka m , bevor ihr linker Fuß einschlief.
Er enttäuschte s i e n i c h t. Bald erschien sein Um riß an der Türschwelle, und sie hörte ihn fragen:
»Darf ich jetzt erfahren, worum es geht, m ein Kind ? «
Er klang herablassend und ungeduld i g wie immer, doch sie verbot sich, e n ttäu s cht zu sein. Statt dessen verbuchte sie das gönnerhafte Verhalten auf seinem s tetig wachsenden Schuldenkonto, löste sich von dem R e gal, ging langsam auf i hn zu und erwiderte dabei in dem gedehnten T onfall, den Sibylle B i nder in den Kammerspielen gegenüber ihrem lästigen, aber nützlich e n Verehrer benutzt hatte: »Vielleic h t wei ß t du’s n o ch nicht, aber m ein Vater ist f e s t e n t s chlossen, keinen Fuß in eine Kirc h e zu setzen. Ich dachte m ir, daß du es ihr am besten beibringst. Als i h r liebender Bräutiga m .«
»Dieser alte Sch… Schlawiner«, sagte Philipp, und dann hörte sie verdutzt, wie er leise lachte. » Irgend so etwas mußte ja kommen. Nun ja, ich neh m e an, m ein Onkel wird hocherfreut über die Ehre sein, die Braut zum Altar zu geleiten.«
»Aber«, stotterte sie verunsichert und vergaß Mata Hari für einen Mo m ent, »ihr könnt ihn doch nic h t einfach von der Trauung ausschließen.«
» W arum nicht ? « fragte Philipp kalt zurück. »Seine Anwesenheit bei der Feier ist ohne hi n Zu m u t ung genug für unsere Fa m ilie. Der Mann hat sich gesellsc h a f tlich un m öglich ge m acht,
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