Unter dem Zwillingsstern
ch zu einer wahrheitsge m äßen Antwort, aber in einen Scherz gekleidet: »Einen Hei m atro m a n«, erwiderte sie. »Von einem Münchner Autor. Er spielt aber in T i rol.«
»Ganghofer ? « fragte ihr Vater einiger m aßen konsterniert. E r haßte Ludwig Ganghofer, und sie wußte das; von den beiden bekanntesten bayerischen Autoren konnte er nur Ludwig Tho m a ausstehen, trotz einiger W itze, die in der Vorkrieg s zeit im Simplizissimus über den »Lederblaubart« gefallen waren und auf Tho m as Konto gingen. Carla schwankte, ob sie ihre Irre f ührung noch etwas länger ausdehnen sollte, doch sie entschied sich dagegen und schüttelte den Kopf.
»Nein. Lion Feuchtwanger. Es ist ein historischer Ro m an über die Herzogin Marguerite Maultasch. R obert hat ihn m i r geschickt.« Heinrich Fehr brum m t e . »Nun, solange es nicht Ganghofer ist.«
Dann fiel ihm etwas ein. »Feuchtw a nger? Dem bin ich begegnet. Der hat doch diesen un m öglichen Augsb u rger Menschen an d i e Kam m erspiele gebracht.«
Er schüttelte den Kopf. Das Stück let z tes Jah r , Trommeln in der Nacht, war unangenehm genug gewesen, obwohl er ehrlich genug war, um sich einzugestehen, daß ihn vor allem die Attacken auf Kriegsgewinnler gestört hatten. Doch dann hatte der sonst so vernünftige Herr Falckenberg, Leiter der Kamm e rspiele, dem jungen Dra m atiker nicht n u r ein weiteres Stück abgenom m en, sondern ihn auch noch für die gesa m t e Saison a l s Dra m aturg engagiert. Heinrich Fehr war es gelungen, Falckenberg in den Torggelstuben abzupassen, aber Falckenbergs Begleiter, der J o urnalist Feuchtwanger, an den er sich vage als an den Autor einig e r ganz unterhaltsa m er Dra m en erinnerte, hatte nur m ilde erklärt, d e r junge Mann aus Augsburg sei ein Genie, und den Direktor da m it e i ner eigenen A ntwort enthoben. Danach war Heinrich Fehr eigentli c h fest entschlossen gewesen, die Saison zu boykottieren, aber die Neugier hatte ihn dann doch in die Uraufführung von Eduard II. getrieben.
»Nun ja«, knurrte er, »besser, er v e rzapft hi s t o rische Romane als noch ein S t ück m it diesem klein e n Giftzwerg. Soldaten, die m i t weißgeschminkten Gesichtern durch die Gegend laufen! Ansager wie im Zirkus! Lächerlich!«
Inzwischen war Carla der Gedanke gekommen, es könne der richtige Mo m ent sein, um ihn wegen der Hochzeit zu fragen.
Schlie ß lich war es nicht selbstv e rständlich, daß er das W ort an sie ric h tete.
» W ie war e s in der Fabrik ? « erkundigte sie sich vorsichtig. Der Gedankensprung m achte ihn sofort m i ßtrauisch.
» W ie üblich. Sehr viel Arbeit, eine Menge Dummköpfe und Ärger m it einer neuen Maschine. W as interessiert dich das ? «
Carla rutschte etwas in ihrem Stuhl hin und her und versuchte vergeblich, sich nicht gekränkt zu fühlen. Es war ihr gleich, vollko mm en gleich, sagte sie sich stumm, was er von ihr dachte, und genauso gleich war ihr seine d u mme Fabr i k. Sie hatte nur gefragt, um das The m a zu wechseln.
»Also«, begann sie, nachdem sie sicher war, wieder gleich m äßig und unbekümmert sprechen zu können, »wenn Marianne heiratet, dann gibt es sicher etw a s weniger Arbeit für dich.«
Nun wirkte er nicht mehr m i ßtrauisch, sondern auf m erksam und neugierig.
»Mmmmm. W i e komm s t du darau f ?«
»Deswegen heir a t et sie doch, ode r ? Da m it du Philipp in d i e Fabrik einarbeiten kannst, so daß er sie später überni mm t .«
Die Leselampe neben seinem Sessel war aus g eschaltet, so daß der Kopf ihres Vaters im Halbdunkel lag. Die Um risse des roten Barts wirkten heller, als er sich leicht vorbeugte.
»Vielleicht. Philipp ist ein klug e r junger Mann. Aber natürlich kom m t es auch darauf an, wen du anbringst.«
Das Schli mm ste war, daß er es offensichtlich freundlich m einte. Trotzdem wallte der H a ß wieder in ihr au f . Sein Talent, s ie ihre Unzulänglichk e it als weibliches W esen spüren zu lassen, war wirklich unüberbietbar. W enn er sich keine a ndere Zukunft für sie vorstellen konnte, als sie auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für seine Fabrik zu verheiraten, war u m dann überhaupt die ganze Erziehung? Aber sie wußte schon, weswegen. Niemand würde einen ungebildeten B ankert heiraten.
Carla. Marianne hatte wenigstens einen Na m en, der sie nicht ständig daran erinnerte, daß sie eigentl i ch ein Junge hätte sein sollen. Ihr N a m e war eine Huldigung an den n i cht existierenden Karl F ehr junior, genannt nach
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