Unter dem Zwillingsstern
Gehei m nis daraus, daß er auf eine Rückkehr zur Monarchie hinarbeitete. N o ch schlim m er, es hieß, daß Ernst Pöhner sein inti m ster Berater sei. Pöhners Verbindungen zu den Fe m e morden in Bayern waren ein offenes Geheimnis, und erst im Deze m ber des letzten Jahres hatte die Münchner P ost sogar eine Verbindung zwischen ihm und der »Orga n isation C onsul«, die für den Mord an A ußen m inister W alther R athenau v e r antwortlich war, au f decken können.
» W ir hatten den Beweis«, sagte K ä the in Gedanken daran zornig.
»Pöhner hat He r m ann Ehrhardt zwei falsche Pässe ausgestellt. Aber zieht irgend je m and ihn zur Rechenschaft ? «
Es war in der Tat ein journali s tischer Triumph gewesen, denn Her m ann Ehrhardt war nicht n u r der Gründer der »Organisation Consul«, er hatte au ß er d em die m ilitärisc h e Seite des Berlin e r Kapp-Putsches organisiert. D och was nützte es, solc h e Indizien an die Öf f entlichk e it zu t r agen, w enn sie d oc h nur ign o riert wurde n ? Die ei n zige Konsequenz, die sich daraus ergeben hatte, war, daß m an das Redaktionsgebäude nachts jetzt vollständig verdunkelte und inzwischen bis zu fünfzig Genossen als W achen postiert hatte.
» W as m i r Sorgen m acht«, steue r te Constanze Hallgarten bei, und ihr a u sdru c ksvolles, l ä nglich e s G e sicht, das Käthe immer an ei n e gotische Skulptur erinnerte, verdüsterte sich, »ist nicht, daß hier ein Putsch Erfolg haben könnte. Das können die in Berlin sich nicht l e isten, da schicken sie auf jeden Fall Truppen. Aber bis dahin… ich wette, d iese Kerle hab e n ber e its eine Verha f t u ngsli s te an g e f erti g t, und wir stehen alle darauf.«
Unwillkürlich dachte Käthe, daß Constanze von ihnen allen a m wenigsten in Gefahr war, denn i h r Mann gehörte zu den Deutschnationalen und war selbst in einer der »Einwohnerwehren«, die sie bekä m p fte. Gleich darauf schä m t e sie sich. Constanze Hallgarten war im m er nur freundlich zu ihr gewesen, und sie war es, Käthe, die unter einem P s eudonym schrieb und vom Geld eines Reaktionärs lebte, während Constanze sich als Leiterin der Deutschen Friedensgesellschaft in M ü nchen öffentlich exponierte. Con s ta n ze verfügte über i h r eigenes Einkom m en, s i e hatte die Entfre m dung von ihrem Mann für die Sache a u f sich genommen.
»Die deutschen Männer«, sagte Constanze Hallgarten, »sind halt Militaristen, durch und durch, und w e nn wir wirklich etwas ändern wollen, dann m üssen wir bei der Er ziehung unserer Söhne anfangen. Deswegen war ich so stolz, als d e r W olfgang seinem Vater gesagt hat, er wolle nicht in eine d i eser E inwohnerwehren und auf Arbeiter schießen. M ein er s t er pazifistischer Erfolg. Aber ich frage m i ch wenn’s hier zum Putsch kom m t und der nur durch Gewalt verhindert werden kann -, wo bleiben dann unsere Ideale?«
»Ihr Gewissen in Ehren«, erwider t e Käthe, »aber ich glaube nicht, daß gewaltloser W iderstand dann der r ic h tige W eg ist. D a s i s t e twas für Gandhi in Indien, und die Bri t en sind im m er noch dort. Hier in Bayern«, sie holte kurz Atem und s pürte die Mißbilligung im Rau m , »hier in Bayern m uß m a n sich wehren.«
Es war heraus. Noch nie hatte sie ihre Zweifel am Pazifismus so deutlich formuliert, noch nicht ein m al vor sich selbst. Aber in den letzten Jahren hatte sich Mord auf Mord gehäuft, ob die Opfer nun Politiker waren, wie die Abgeordn e te Gareis, oder Privatpersonen, wie das Dienst m ädchen Marie Sand m eier, das so naiv gewesen war, im Polizeipräsidium ein ihr be k anntes W a ffenlager anzuzeigen. Sie erinnerte sich noch der Trauer und des Entsetzens nach Eisners Tod. Dabei war das nur der Beginn gewesen, und ihr Vertrauen in die sta a tliche Gerec h tigk e it existie r te n icht m ehr. Viell e icht h atten di e Kommunisten recht, und der liberale Pazifis m us, an den sie geglaubt hatte, war nur Augenwischerei in einer unerträglichen S ituation.
»Käthe!« sagte Constanze Hallgarten schockiert.
»Es tut m i r leid«, entgegnete Käthe, aber es tat ihr nicht leid, und sie spü r te d en ersten, u nkitt b aren R iß in dem Band zu ihr e n Freundinnen.
Carla saß in der Bibliothek und l a s, als ihr Vater hereinkam und sich m it ei n em Ächzen in seinem Sessel n i ederließ. Sie war so vertie f t in i h r Buch, daß s ie e rst au f s chaute, als er sie fragte, was sie gerade lese. W eil sie g uter Lau n e war, ent s chloß sie s i
Weitere Kostenlose Bücher