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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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aber be i sein e r neureichen Herkunft war das wohl nicht anders zu erwarten. W enn m an bedenkt, wie sein Vater zu Geld gekommen ist…«
    Zorn quoll in Carla hoch, aber e h e sie den Mu n d zu einer h itzigen Entgegnung öffnete, fiel ihr ein, daß sie gewiß nicht plante, ihren Vater zu verteidigen, und daß sie außerdem durch seine letzte Äußerung noch ein As im Är m el hatte.
    »Ich glaube, genauso wie du es übermorgen tun wirst«, m ur m elte sie und fand sich wieder in ihre geplante Rolle ein. »Er hat eine reiche Frau geheiratet. Nur war sie, s o weit ich w e iß, nicht ä lt e r als er.«
    Mittlerweile stand sie dicht vor Philipp. E r m u ßte sich vor dem Abendessen noch ein m al rasiert h a ben, denn sie roch das Rasierwasser an ih m . Er blieb, wo er war, schweigend, und sie triu m phierte innerlich. D i e ange m essene Reaktion einem K i nd gegenüber auf so eine Be m erkung wäre gewesen, entweder einen T adel auszusprechen oder zu lachen. Nun war es an d e r Zeit für ihren letzten Schritt.
    Trotz all der Erklärungen, m ediz i nischen Atlanten, Theaterstücke, Fil m e und Ro m ane reichte ihre d r eizeh n jähri g e Phantasie in bezug auf Philipp nicht weiter als bis zu einem Kuß, also erwartete sie auch nichts anderes. Sie stellte s ich auf die Zehenspitzen, denn Philipp war hochgewachsen, fast so groß w i e ihr Vater, und küßte ihn auf den Mund. Es war die einzige Art Kuß, die sie kannte, ein kurzes Aneinanderpressen der Lippen, also ließ s ie sich gleich wieder auf die Fersen sinken und w ollte gerade hochzufrieden ihre Abgangszeile sprechen, ein souveränes »Gute Nacht, Philipp«, als sie m erkte, daß er sie festhielt.
    »Du kleines Miststück«, sagte e r , und seine Stimme klang heiser, fast bösartig. »Je m and s ollte dir wirklich eine L ektion erteilen über Spiele, d ie m an in deinem Alter be s ser nic h t s p ielt.«
    Aber er sprach nicht länger zu einem Kind. Seine rechte Hand lag auf ihrer Schulter. Mit der anderen hob er ihr Kinn hoch und hielt es fest. Dann spürte sie m ehrere D i nge gleichzeitig. Zum einen, daß seine eine Hand von ihrer Schulter auf ihre linke Brust glitt, was ein sehr eigenartiges Gefühl war, fast sch m erzhaft, als ihre Brustwarze sich aufrichtete und steif wurde. Zum anderen küßte er sie noch ein m al, aber anders, als sie ihn geküßt hatte. Er zwang sie durch den Druck seiner Finger, ihren Mund zu öffnen, und seine Zunge drang zwischen ihre Zähne. Dann zog er sich zurück und ließ sie los.
    Carla starrte ihn an. Sie hatte Angst, aber sie wäre lieber gestorben, als das zuzugeben, und außerdem löste der ganze verwirrende Vorgang in ihr ein seltsa m e s Gefühl aus, so als ob sie Fie b er h ätte. Auf jeden F a ll w ollte sie k e ine weit e re p atro n isi e re n de Be m erkung m ehr hören, also versuchte sie, von i h rem souveränen Abgang zu retten, was noch zu retten war.
    »Gute Nacht, Philipp«, sagte sie in ihrer besten Ayesha-Stim m e, denn Ayesha m ußte sich vor nie m a ndem fürchten, nur vor dem Feuer, das sie u nster b lich g e m acht hatte. Dies m al hielt er s ie nicht auf, als sie an i h m vorbei a u s dem Raum glitt.
     
    Für Käthe bot die Abwesenheit d e r Fehrs ein paar Tage uneingeschränkt freie Zeit. Sie beendete ihr e n Artikel z u m f ün f ten Jahrest a g des Ausrufs der Republik in aller R u he, brachte ihn in die Redaktion und besuchte dann die neue Ausst e llung im gläsernen Kunstpalast. Am Abend nahm sie ein langes, heißes Bad und ging m it einem Buch, das weder m it ihrem Unterricht noch m it der derzeitigen angespannten Lage etwas zu tun hatte, ins Bett. Sie schlief be r eits, a ls je m and energisch an ihre Tür klopfte. Es handelte sich um d a s Dienst m ädchen Magda.
    »Da will j e m and Sie sprechen, F r ä u lein, am Tele f on!«
    Das war noch nie dagewesen. Gut, Heinrich F ehr hatte sich schon früher als die m eisten einen Telefonapparat angeschafft, aber Käthe benutzte ihn selbstverständlich gen a usowenig wie die übrigen Angestellten. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, w as einen ihrer Freunde veranlassen könnte, zu versuchen, sie auf diese W eise zu erreichen, und was ihre Fa m ilie anging, s o war ihr Standesbewußtsein zu ausgeprä g t; in einem Todes f all hätten sie ein Telegramm g e schickt, statt durch einen Anruf in die P r ivatsphäre eines Höhergestellten einzudringen.
    Äußerst beunruhigt warf sie sich einen Morgen m antel über und folgte der großäugigen Magda, die s e

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