Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Küm m ernisse plagten wie ihn selbst, und er berührte sie sachte an der Schulter.
    » W ie du gesagt hast wir werden sie finden.«
    »Ja, das werden wir.«
     
    Meine liebe Carla gerade habe i c h von der französischen Niederlage gehört, die unser glorreicher F ührer uns schon immer prophezeit hat. Ve rm utlich be d eutet das, d aß ich zumindest in d i e sem Jahr zu meinem Frankreich-Besuch komme, wenn das für Zivilisten gestattet ist. Ich werde wohl ein paar alte Bekannte besuchen, und daher würde ich gerne wissen, ob Mada m e Catherine nun nach Amerika gezogen i s t oder noch in Frankrei c h weilt. S o llte l e tzteres der Fall sein, werde ich mich bemühen, i h r Grüße von dir auszurichten.
     
    Was mich selbst angeht, ich sch r eibe nun endlich keine roten Zahlen mehr, auch wenn Danton vore r st auf Eis lie g t. Aber mir ist da e i n anderer Ei n f all gekommen. Leider schlie ß t er eine Rückkehr an den Busen der U FA mit ein. Nur um zu beweisen, daß ich es kann, werde ich anbieten, einen Film in acht Wochen zu drehen, meinetwegen sogar in sechs (allmählich macht mir meine Reputation als der Regisseur mit den jahrelangen Dre h zeiten zu schaffen ) … und zwar entweder a) einen Kriminalfilm oder b) Macbeth. An ersterem mangelt es uns etwas, seit wir das perfide Albion bekämpfen, und einen Klassiker in so kurzer Zeit und mit einem minimalen Budget zu verfilmen, das gab es noch nie, so daß ich nicht glaube, daß die UFA widerstehen kann. Übrigens, das bleibt aber unter uns, laufen a) und b) auf das gleiche hinaus… denn ich habe vor, Macbeth in die Gegenwart zu übertragen, in das Land, in dem du jetzt lebst. (Warum nicht nach Deutschland? Weil es bei uns keine Kriminellen gibt.) Er ist der Vize des Gangsterbosses von Chicago… den Rest kannst Du Dir denken. Toi, toi, toi, und drück mir die Daumen. Ich…
     
    Das Klingeln des Telefons unterb r ach Robert beim Schreiben. Einen Mo m ent lang erinnerte er sich nicht, wo in der neuen Wohnung das Telefon stand, dann fiel es ihm wieder ein. Er hielt sich nicht allzu häufig hier auf; seit er begonnen hatte, für die beiden Macbet h- Varianten zu planen, suchte er nach m öglichen Drehorten, die keine U m bauten und Dekorationen benötigten, und kampierte bei denjenigen der Her m iaden, die in der Nähe des jeweiligen Ortes wohnten. In den ersten Kriegs m on a ten war er ohnehin nur von Sofa zu Sofa gezogen, bis ihm Astrid und He l m ut g e m einsam erklärt hatten, nun müsse er sich endlich eine eigene Wohnung s uchen. Daß sie ihn dabei »Chef« und nicht »Robert« nannten, bewies, daß sie es ernst m einten.
    Nach dem fünften Klingeln hatte er endlich den Apparat ge f unden.
    »Chef, hier ist Astr i d«, sagte die vorsichtig wirkende Stim m e seiner Mitar b eiterin, Freu n din und zei t weiligen Gelie b ten. Er h örte s o fort den warnenden Unterton. »Du hast ein Angebot, aber von der Terra, nicht von der UFA, und nicht als Regisseur. Sie w ollen dich als Darsteller für eine neue Großp r oduktion. Ich weiß, daß du wegen Macbeth ni cht i n ter e ssiert b i st, a be r das Angebot wurde durch das Mini s te r ium ver m ittelt, also dachte ich, ich sollte es dir z u m indest unterbreiten. Veit Harlan führt Regie.«
    Das klang nicht gut, ganz und gar nicht gut. Harlan hatte als Schauspieler angefangen und inzwischen einen Ruf a ls Regisseur effektvoller Melodra m en errungen. Beim Drehen galt er als Menschenschinder, doch Robert, der sich seiner ei g enen Herrscherallüren bei der Regie durchaus bewußt war, hatte genügend Selbstvertrauen, um da m it zurechtzukom m e n. Nur würde sich Astrid nicht so verklausuliert ausdrücken, wenn es um einen Part in einem g e wöhnlichen Harlanschen Melodram ginge, ganz zu schweigen davon, daß dann das Interesse des Propaganda-Min i steriu m s unerklärlich wäre.
    » W orum g e ht es in dem Fil m ? «
    »Jud Süß«, erwiderte sie, und er begr i ff. Schon seit einiger Zeit ging das Gerücht, daß G oebbels eine Verfil m ung des Stoffes plante, in dem ph ä no m enalen Erfolg, den Feuchtwangers Ro m an in den Zwanzigern gehabt hatte, eine Herausforderung sah, Feuchtwangers Süß eine nationalsozialistische Version entgegenzusetzen. Dann hatten die Briten Feuchtwangers Buch verfil m t, m i t dem ausg e w anderten Conrad Veidt in der Hauptr o lle und beträchtlichem Erfolg. Das schrie für Goebbels geradezu nach einem Gegenzug. Keine Frage, daß sein Süß das Gegenteil von Feuchtwangers Süß sein würde,

Weitere Kostenlose Bücher