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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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geschaffen, dazu angetan, der Idee Zion auf Ja h re, wahr s cheinlich auf Jahrzehnte hinaus neues L eben zu geben. Er hat Millionen von Juden gezwungen, sich m it dem Problem Judentum neu auseinanderzusetzen. Hunderttausende sind fest entschlossen, nicht m ehr in die Länder zurückzukehren, aus denen m an sie verjagt hat. Sie wollen zu ihresgleichen, sie haben erkannt, wohin sie gehören: sie wollen nach Palästina.«
    Unter dem Applaus, der sich zögernd erhob, hörte Carla D r . Gold m ann neben sich aufseufzen. Sie glaubte, es geschehe aus Ungeduld. Auch sie hoffte, daß die Rede bald vorbei sein würde. Die jüdische Psychologie war für sie im Mo m ent von sekundärem Interesse, sie wollte n u r endlich die Gelegenheit erhalten, m it Feuchtwanger zu sprechen, um ihn nach Kathi zu fragen. Zum Glück war der Mann kein langat m iger Redner; er m achte tatsäc h lich nach nur ein paar weiteren Sätzen Schluß und erklärte den Palästina-Pavillon für eröffnet.
    »Kom m en Sie«, sagte sie zu D r . Gold m ann und zog ihn zu d e m Platz hinter der Tr i büne, wo Feuchtwanger nun stand, m it den Ve r anstaltern und einem R e porter plauderte und einige Bücher signierte, die m an ihm hinhielt, während die Mehrzahl der Besucher in den Pavillon s t r ö m t e. Sie wartete d as Verschwinden des Reporters ab und stellte sich dann vor. Er brauchte e i ne W eile, bis er sich an sie erinnern konnte, aber Käthes N a m en erkannte er sofort.
    »Das Fräulein Brod«, sagte er traurig. »Nein, ich habe nichts von ihr gehört und sie auch nicht getroffen, und M arta ebenfalls nicht, das hätte s i e m i r erzählt. Aber wissen Sie, ich kann Ihnen Na m en und Adresse des Mannes geben, der uns über die Grenze gebracht hat. Es handelt sich um einen Quäker aus Boston; er und seine Freunde bemühen sich im m er noch, m öglichst viele Flüchtlinge aus Frankreich herauszuholen. W enn Fräulein Brod es geschafft hat, dann weiß er m it Sicherheit davon, und er kann auch unter den anderen Geretteten nach ihr fragen, er steht m it allen noch in Verbindung.«
    Das war besser als nichts, obwohl sie wieder eine Hoffnung begraben m ußte. Sie notierte sich die Adresse, unter der m an m it Valerian Fry Kontakt aufneh m en konnte, dankte Feuchtwanger und wollte sich zur ü ckziehen, als Dr. Gold m ann sich neben ihr räusperte.
    »Glauben Sie wirklich«, begann er, »daß… wir nach Palästina gehören? Haben Sie die Idee des W eltbürgertu m s aufgegeben ? «
    Feuchtwanger schüttelte den Kopf. »Nicht für m i ch. Das habe ich nicht gesagt. Persönlich bin ich der Ansicht, sich Zion zu wünschen ist besser, als Zion zu haben. Ein r e aler Staat I s rael kann u n möglich das sein, was m an sich von ihm erhofft. Aber er würde Millionen von Flüchtlingen Aufnah m e bieten, und die brauchen sie dringend. Als ich den Hafen von Lissabon verschw i nden sah, da dachte ich: W arum ich? Warum nicht einer von den Hunderten, Tausenden, die in der Stadt a u f die Chance ausz u r eis e n wartete n ? Bei m ir lie g t es daran, daß ich Schriftsteller bin, und ich bilde m i r ein, der Welt noch m i ndestens vierzehn Ro m ane zu s c hulden, die erzählt werden m üssen. Aber all d i e an d eren brauc h en einen anderen Schlüssel in die Freiheit… und Palästina könnte der S chlüssel sein.«
    Auf d e m Rückweg zu ihrer W ohnung fiel Dr. Gold m ann auf, d a ß Carla ihr distanziertes G esicht aufgesetzt hatte, und er fragte sie, ob etwas nicht stim m e. Sie wußte nicht, wie sie es taktv o ll formulieren sollte.
    »Die Frage nach der jüdischen Ide n tit ä t… sch e i n t Ihnen se h r wichtig zu sein«, sagte sie endlich. »Es überrascht m i ch ein wenig, das ist all e s.«
    »Du m einst, du verstehst nicht, wie ich daran denken kann, wenn es um Käthe geht, nicht wahr ? « gab Dr. Gold m ann zurück, und wieder ein m al kam sie ihm sehr jung v or, obwohl sie m ittlerweile d reißig Jahre zählte.
    »Es vergeht kein Tag«, fuhr er ruhig fort, »an dem ich nicht an Käthe denke und m it der wenigen Reli g iosität, über die ich verfüge, darum bete, daß sie noch lebt und sich in Freiheit befindet. Sie… sie hat im m er gewußt, wer sie ist und was sie vom Leben will. Ich weiß es nicht m ehr, nicht nach alle m , was geschehen ist, und ich versuche, es herauszufinden. Das kann ich tun, ohne deswegen weniger an Käthe zu denken, Carla. Du erfindest dich jeden Tag neu, das ist dein Beruf, du versteh s t das v er m utlich n i cht. Aber ich bin

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