Unter dem Zwillingsstern
tte er eine Z usam m enzi e hung aus ihren beiden Vorna m e n, Martina und Annette, vorgeschlagen, und das gefiel ihr sehr. Daß er sie so anredete, verse t z t e s i e in bessere Stim m ung, und sie erzählte ihm ein W eile von den neuesten Aktivitäten des »Bunds der schwarzen Ros e «, bis sie w i eder ernster wurde und eine Zeitlang schwieg.
» W arum bist du nicht im Krieg ? « f r agte sie plötzlich. »Die anderen Väter kä m p fen alle. Conny sagt, wer nicht kämpft, ist ein Feigling. Sein Vater ist sogar Offizier, und er gibt ständig m it ihm an.«
»Nun, du hast schon einen Vater zum Angeben, Papa Larwitz«, entgegnete er, sich auf Monikas z w eiten Mann beziehend. »Ich bin der Vater zum Ausschi m p fen und Bonbon-Schenken. Das sind kriegswichtige Unternehmungen, und deswegen hat m an mich freigestellt.«
»Da«, rief sie gekränkt, »du tust es schon wieder! W arum ist alles im m er ein W itz?«
» W eil ich in der Hoffnung lebe, von dir auch ein m al einen zu hören. Das m uß dann aber ein wirkl i ch guter sein, wegen der Seltenheit. M a r ti n ette, ich b i n nicht an der Front, weil m an Leute wie m ich braucht, da m it der Rest der Nation sich nicht l a ngweilt od e r ins Grübeln gerät. Und ganz ehrlich, ich bin froh darüber. Krieg ist kein Spiel, weißt du. Man bringt dabei Leute um und stirbt selber.«
»Aber Ma m a sagt, das m achen Helden. Sie sagt, Papa Larwitz sei ein Held.«
»Hast du schon m al einen Toten gesehen ? «
Martina schüttelte den Kopf, und ihr Vater versicherte ihr, er werde ihr erzä h le n , wie es sei, tot zu sein, aber n i cht hier auf der Straße, sonst liefe sie ihm davon, und sie w ü rden ihre Straßenbahn verpassen und noch m a ls zwanzig Minuten warten m üssen. Früher hatte er sie m it dem Auto abgeh o lt, aber inz w ischen war der Benzinverbrauch eingeschränkt. Man bekam nur noch eine bestim m t e Anzahl an Benzinkarten, g enau wie Lebens m ittelkarten, und er hatte gelernt, sparsam d a m it u m zugehen, da er sie ber u flich brauchte. Sie wußte, daß er es ihr wirklich erzählen würde und nicht nur versuchte, es aufzuschieben. D as gehörte zu den Eig e narten ihres Vaters: Er erzä h lte einem imm e r alles, und m anch m al m ehr, als man wissen wollte. Als sie beispielsweise nach dem Grund für die Scheidung gefragt hatte, war Ma m as Antwort auf »Das verstehst du nicht« hinausgelaufen, Papa dagegen hatte klipp und klar g e sagt, es liege d a ran, daß ihre Eltern sich haßten. Manch m al haßte sie ihn auch, aber nicht m ehr so wie in dem Jahr, als Dada versch w unden war und Ma m a so oft geweint hatte. Er konnte einen ärgern, aber es war nie lang w eilig m it ih m , er ließ sie so lange aufblei b en, wie sie wollte, und nahm sie zu Orten m it, wo sie sonst nie hinka m .
Am Bahnhof Nikolassee m ußten sie u m steigen, und Martina sah eine ganze Gruppe von Leuten m it gelben Sternen auf den Mänteln dort stehen. Das war ungewöhnlich. In diesem Jahr waren die gelben Sterne aufgetaucht, a b er nur ganz, ganz selten b e gegnete i h r je m and auf der Straße, der einen trug. So viele auf einmal hatte sie noch nie erle b t. Sie z up f te ihren Vater am Är m el.
»Schau m a l «, sagte sie. » W ieso sind das so viele? Und wieso tragen sie die Sterne über h aupt? Ist das ein Parteia b zeiche n ?« D as fragte sie, weil um die Gruppe herum ein paar Unifor m ierte sta n den. Robert blickte in die Richtung, in die ihr Finger wies, und zuckte zusam m en. Er hatte sie nicht gesehen, oder besser: übersehen. All m ächtiger, es war so leicht geworden, sie zu übersehen.
»Sie tragen den Stern, weil es ihnen so befohlen wurde«, erwiderte er so sachlich wie m öglich und versuchte, nicht heiser zu klingen.
»Im Frühling hat m an es allen Juden befohlen. Und es sind so viele, weil sie ve rm utlich g e r a de f ortgebr a cht werden . «
»Die Juden sind unser Unglück«, rezitierte Martina auto m atisch, doch sie runzelte die Stirn.
»Kannst du dich noch an Dada Gold m ann erinnern ? «
Natürlich konnte sie das, versi c herte sie gekränkt und haßte ihn wieder ein wenig, denn Dada war seinetwegen verschwunden, da war sie ganz sicher.
»Er ist Ju d e . «
Das hatte sie vergessen, obwohl sie es ein m al gewußt hatte. »Fahren die Leute auch ins A usland, so w i e Dada ? «
»Dada ist in A m erika, im W est e n. Soweit ich gehört habe, bringt m an diese Leute in den Osten.«
»Dahin, wo gekä m p ft wird ? «
»Nicht ganz so weit.«
Es
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