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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ihnen in der Luft, und während sich seine Augen verengten, hörte sie irgend w o eine Tür ins Schloß fallen. Sie wartete darauf, daß er sie anschri e , doch als er sprach, geschah es sehr leise. Dennoch war jedes W ort schlim m er, als wenn er sie geschlagen h ätte.
    »Du wirst jetzt in das Haus zurückgehen und dich dort so lange nicht m ehr in m einer Gegenwart bli c ken lassen, bis ich nach dir schicke. Und bis dahin wirst du darüber nachdenken, welche Ansprüche du hier hast. Keine. Und was du hier bist. Nichts. Es gibt vor d e m Gesetz n i chts, was m i ch dazu verp f lichtete, für einen Bastard zu sorgen. Und meine Bereitschaft, es zu tun, hat sich heute erschöpft.«
    D a m it winkte er dem Chauffeur, der, ohne sie anzusehen, die hintere W agentür zuschlug und auf d e m Fahrersitz Platz nah m . D i e anrollenden Räder wehten ihr Staub in die ungeschützten Augen. Aber sie weinte nicht. In diesem Mo m ent w u ßte sie, daß er sie nie mehr zum Weinen bringen würde.
     
    Während Käthe den Nove m ber d a m it verbrachte, eine W ohnung zu suchen, und ihr v ers p rach, sie m i ndestens ei n m al in der Woche zu treffen, wurde Carla zusehends apathisc h er. In ihr reifte etwas, eine Saat, die schon vor langer Zeit gelegt worden war, das spürte sie, aber gleichzeitig wußte sie nicht, ob sie z u r Ernte i m stande sein würde. Sie erledigte pflichtge m äß die Aufgaben, die Käthe ihr stellte, f est entschl o ssen, m it dem Unterric h t bis zum letzten Tag f ortzu f ahren, nahm ihre Mahlzeiten in der Küche m it dem Personal ein, das für sie d as Beste tat u n d sie weitge h end in Ruhe ließ. Den Rest der Zeit verbrachte sie in ihrem Z i m m e r. W enn K ä the zu ihr ging, um m it ihr zu sprechen, fand sie Carla stets v o r, wie sie die Wand anstarrte, aus d ruckslos, ohne sich zu rühren.
    An dem Tag, als Käthe die Villa ve r ließ, v er h ielt sie sich ni c ht anders. Käthe hatte einen neuen Ausbruch befürchtet, doch C arla gab ihr lediglich die Hand, wünschte i h r viel Glück und versprach, bald zu schreibe n . Erst später be m erkte sie, daß dieses Versprechen noch seltsa m er als der Rest von Carlas Verhalten gewesen war, denn es bestand kein Grund zu schreiben, wenn m an sich in derselben Stadt au f hielt.
    Der er s t e Brief, den Carla nach Kät h es Abschied verfaßte, richtete sich a ll e rdi n gs an Robe r t in s e i n em Lubeldorfer Internat. Sie hatte ihm seit Mariannes Hochzeit nicht m ehr geschrieben, weil es die Schutz m auern durchbrochen hätte, die sie um sich er b aute. Aber die Einsa m keit schlug all m ählich über ihr zusa mm en wie die W ellen über einer E rtrinkenden, und er war der einzige, der verstehen würde, was sie vorhatte.
    Lieber Sam bitte komm. Der Golem muß zerstört werden. Halef.
     
    Robert war seit ihrer letzten Begegnung noch weiter gewachsen und nun so groß wie ein erwachsener Mann. Außerdem plagte ihn der Stim m bruch nicht m ehr, m it dem er sich seit einem Jahr heru m geschlagen hatte. Als er sie begrüß t e, war s e ine Stim m e völlig ebe n m äßig, ein dunkler, war m er Bariton, der die Illusion, einen Erwachsenen vor sich zu haben, vervoll s tändigte. Er kam direkt vom Bahnhof und hatte Steinchen an ihr Fenst e r geworfen, weil er wußte, daß er nic h t offiziell durch d i e Haustür k o m m en sollte.
    »Die m erk e n erst m orgen früh, daß ich nicht mehr da bin«, sagte Robert, nachdem er durch den Fensterrah m en geklettert war. »Heute ist Ausflugstag.«
    »Es ist wohl sehr schön da«, sagte Carla gepreßt, weil sie nicht wußte, wie sie diesem Fre m den g e genüber m it ihrem Anliegen beginnen sollte, aber als er den Kopf schüttelte und antwortete, wußte sie, daß sie ihren Verbündeten wiederhatte.
    »Nein«, sagte Robert, während sie sich beide im Schneidersitz auf Carlas Bett hockten, »nicht in der letzten Zeit.«
    Ihr kurzer B r ief hatte ihn aus d e r Misere herausgeholt und ihm die Richtung gezeigt, und nun war er berei t , das gleiche für sie zu tun. E r kannte Carla. Es fiel ihr leic h t er, ihm alles zu erzählen, wenn er da m it begann.
    » W eißt du«, fuhr er fort und zwang sich, dies m al nichts auszusch m ücken, »all die Postkarten und Briefe, die ich dir von unterwegs geschrieben habe das war ge l ogen. Rom war gräßlich. Venedig war gräßlich. Paris war gräßlich. Mein Reiseführer, der m üßte nicht Getränke der Welt heißen, sondern T oil e tten d e r Welt. Mittlerweile trinkt er ständig. Es wird

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