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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nde Ge f ühl völlig e r Freiheit zu verarbeiten, »daß ihr Leben in Gefahr war.«
    Heinrich Fehr winkte verächtlich a b , als sc h l age er eine u n sichtbare Fliege z u r S eite.
    »Das m acht m ein He i m nicht zum W i rtshaus für Sozialisten. Nun, bringen wir es hinter uns. Sie h a ben Ihre Befugnisse als Angestellte in diesem Haus grob überschritten, und ich sehe m i ch nicht länger in der Lage, Ihnen die Erziehung m ei n er Tochter anzuvertrauen. Eigentlich m ü ßte m an Sie fristlos e n tlassen, doch es genügt mir, wenn Sie am Ende des Monats gehen. Ich neh m e an, auf ein Zeugnis von m ir legen Sie keinen W ert ? «
    »Nein«, entgegnete Käthe, und zum ersten Mal erschien er ihr ko m i sch, nicht unangenehm und bed r ohlich, der große Mann, der sich aufplusterte, um einer kleinen Lehrerin Angst einzujagen.
    Sie fügte nichts hinzu, keine Bit t e, keine Entschuldigung, und nach einer Minute sagte er ärgerlich: » G ut, gehen Sie.« Das Gefühl völliger Freiheit hielt an, bis sie es Carla sagte. »Entlassen ? « wiederholte das Mädchen langsa m , und etwas in Käthe zog sich sch m erzhaft zusam m en. D e r Mo m ent des Aufpralls war gekom m en, und er war hart.
    »Aber das kann er doch nicht m achen!«
    Während der letzten W o rte hob s i ch ihre Stim m e und wurde immer lauter. Es rief ein Echo in Kät h es Erinnerung wach, nach dem sie nicht lange suchen m ußte. Als Car l a ihren Federhalter ergriff und a n die W and schleuderte, w ußte sie es wieder.
    »Nein!« rief ihre Schülerin und klang wieder wie das hysterische Kind, das auf den Tod seiner Stief m utter m it einem Schreikra m pf reagiert hatte. »Das kann er nicht!«
    »Als m ein Arbeitgeber«, begann K äthe behutsam, doch Carla unterbrach sie, ihre beiden Hände erfassend.
    »Sie m üssen ihn bitten, das nicht zu tun, Kathi, Sie m üssen sagen, daß es Ihnen leid tut! Wenn Sie sich entschuldigen er hat es gerne, wenn m an sich bei ihm entschuldigt!«
    Es stim m te; vi e ll e icht würde i h r v ergeben werden. Doch es war nicht nur ihr Stolz, der Käthe daran hinderte, laut Reue zu bekennen. Sie schaute auf ihre Handgelenke, die Carla umklammert hielt, sehr fest. Klammern. Fesseln. Ich habe dir schon sieben Jahre gegeben, dachte s ie m it einer Klarheit, die si e ebenso sch m erzte wie die Verweiflung in den graugrünen Augen, die sie anblickten. Ich muß gehen, solange ich noch nicht zu a l t bin, um ein neues Leben anzufangen, denn w enn ich es nicht tue, was bleibt mir dann, wenn du mich nicht mehr brauchst.
    Carla ließ sie los. Sie schluckte, dann sagte sie heftig: »Gut, wenn Sie sich nicht entschuldigen wollen, dann tue ich es!«
    D a m it drehte sie sich um und rannte fort. Ihr Vater war gerade dabei, sich von seinem Ch a uffeur in d e n neuen W a gen helfen zu lassen, den er gekauft hatte, um in die Fabrik zu fahren; ein riesiger, rötlicher Fleck neben einem noch größeren, dunklen. Sie klamm e rte sich daran, daß er im letzten Jahr so viel zugänglicher geworden war, daß er sie zu der Hochzeit mitgeno m m en und ohne ein W ort verstanden hatte, als s i e dort wied e r wegwollte. Ganz sic h er würde e r a uch ve r stehen, war u m er Kathi n i cht e n tlassen durfte.
    »Bitt e !« r ief sie k euche n d, während sie noch auf ihn z u lie f , o bwohl sie eigentlich » W arte« hatte sagen w ollen, »bitte!«
    Er zog nun auch sein gesundes B e in ins Innere des W agens nach, aber er wi n kte ab, als der Chauffeur die Tür schließen wollte, und wartete, bis sie vor ihm stand. W ä hrend sie mühs a m w i eder Atem schöpfte, konnte sie erkennen, daß er sie ungnädig m usterte.
    »Bitte e n tl a sse Fräulein Brod nicht«, stieß s ie hervor. »Es tut ihr sehr leid, daß sie ihre Freunde hier hat übernachten lassen.«
    »Zweifellos«, entgegnete ihr Vater kühl. »Und sie wird es noch m ehr bereuen, wenn sie f estst e llt, wie es den A r beit s losen in diesem Land ergeht. Ihre roten Freunde werden sie kaum ernähren. In Rußland wird selbst gehungert.«
    »Aber sie wird doch nie wieder…«
    »Das Th e m a ist abgesc hl ossen«, sch n itt er ihr das W ort ab und hob die Hand, um d e m Chauffeur zu signalisieren, er sei nun bereit zu fahren.
    »Du darfst sie nicht entlassen!« p l atzte Carla heraus. Das ließ ihren Vater innehalten. Ungläubig wand t e er sich ihr wieder zu.
    »Ich darf ni ch t ? «
    Heiser von unterdrückten Tränen, sagte sie: »Du darfst sie m ir nicht auch noch wegneh m en.«
    Der Satz hing zwischen

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