Unter dem Zwillingsstern
Papiere zu acht e n, die ebenfalls dort lagen und aufflatterten. S i e winkelte einen Arm hinter dem Kopf an und fragte neckend: »Und seit wann pflegen Sie vertrauten U m gang m it Dr. Gold m ann, Kathi ? «
»Seit einigen Jahren«, antwortete Käthe knapp.
Um ganz präzise zu sein, hatte es sich seit ihrer Entlassu n g aus dem Hause Fehr ergeben, daß sie s i ch jede Woche ein m al m it Dr. Gold m ann zum Tee traf. Anfangs tat sie es nur, um auf diese W eise Neuigkeiten über Carla zu erfahre n , und außerdem bedeutete es eine kostenlose kleine Mahlzeit. Aber n a ch und nach gestand sie sich ein, daß sie Dr. Gold m anns Gesellscha f t genoß. Er war zwar ein alt m odischer, hoffnungslos opti m istischer L i beraler, der von Politik genauso wenig Ahnung hatte wie von Erzie h ungs m ethoden, und seine häuslichen Verhältnisse waren, nun ja, b e klagenswert, aber sie kam nicht u m hin, Sympathie für i h n zu entwickeln. W ie auch i m m er, sie steuerte das Ges p räch entsc h lossen wie d er auf das eigentliche T he m a zurück.
»Mag sein, daß Robert Königs Kopf in den Wolken steckt, aber du, Carla, bist vernünftig und gut unt e rrichtet genug, um zu wissen, wie es um dieses Land bestellt ist. Ich kann nicht glauben, daß du lieber auf eine völlig unzureichende Arbeitslosenunterstützung hoffst, als nach dem Besten zu streben und eine glückliche, berufstätige Frau zu werden.«
»Sie hören m ir nicht z u «, erwide rt e Carla. » I ch will nach de m Besten streben und eine glückliche, b e rufstätige Frau werden. Eine Schauspielerin.«
»Das ist kein Beruf. Ich ich kann nicht glauben, daß du mich so enttä u schst . «
Schlagartig verschwand jegliche H e iterkeit aus Carlas Ge si cht. Sie stand langsam auf, und Käthe wünschte sich, den Sch m erz in den Augen des Mädchens nicht sehen zu m üssen. Aber es war zu Carlas eigenem Besten. Sie mußte aus die s er jugendlichen Torheit gerettet werden und ihre eigentliche Besti m mung erfüllen.
»Es tut m ir leid, daß ich für Sie eine Enttäuschung bin, Kathi«, sagte Carla leise, »ab e r das war ich wohl im m er schon, für jeden.«
Als sich die Tür hinter ihr schloß, hatte Käthe ihre Bestürzung gerade genug überwunden, um sie zurückzustellen und Carla ihrer Zuneigung zu versichern, aber da war es zu spät.
Soviel zu dem Plan, K ä the zu bitten, sofort nach Berlin aufzubrechen und m i t ihr eine Wohnung zu t e ilen. Nun, sie brauchte nie m anden, und am Ende war es ein Glück. Es blieb noch, von München Abschied zu neh m en, und was gab es da noch für sie, außer drei Gräber n ? N ach der Villa in der P i enzenauerstraße würde sie s i ch gewiß nicht sehnen. W ie schade, daß Philipp und Marianne das alte G e m äuer nicht längst verkauft hatten, aber nein, die Adresse war zu prestigeträchtig, obwohl Carla ber e it war, zu wetten, daß Maria nn e m ehr als ein m al um ein eigen e s, neues Haus gebeten hatte.
Der Bahnhof Friedrichstraße in B e rlin, auf dem sie ankam, war entsetzlich rußig und laut, aber er lag in der Nähe des Deutschen Theaters und seiner Schauspielschul e . Carla hinterließ ihre beiden Koffer bei der Gepäckaufbewahrung. Sie hatte durch eine Z eitungsannonce sc h on ein Zim m er, bei einer Frau Pa h lke, aber si e wollte keine Z e it v erlieren. Sie e r inne r te sich noch genau an den Weg, denn Robert hatte ihr das Gebäude gez e igt. Man ging über die Brücke und dann am Christlichen H ospiz und d e n Kasernen vorbei. Sie fand die Schu m annstraße ausgesprochen scheu ß lich; die Häuser sahen aus, als seien sie lange vor der Jahrhundertwende zuletzt gestrichen worden, und überall standen Bettler. Sie ging einige Male an der richtigen Toreinfahrt vorbei, bis sie ihren Irrtum b e m erkte, denn der dunkle Bogen über der Einfahrt war so klein und unauff ä llig.
Der sch m ale Hof führte zu d r ei runden Torbogen und einigen weißgetünchten Glastüren. W ährend sie die flachen Stufen hinau f ging, beschleunigte sich Carlas Herzschlag. Ihr Ter m in w a r erst in eineinhalb Stunden, denn sie hatte eine m ögliche Verspätung des Zugs einkalkulieren wollen, aber sie stellte sch n ell fe s t , daß sie n i cht als einzige zu früh eingetroffen war. Der Porti e r verwies s i e zu einer Gruppe, die im ersten Stock stand, saß und wartete. Die m eisten hielten wie sie einen U m schlag in der Hand; bei der schriftlichen Bewerbung hatte m an sie angewiesen, d e n Lebenslauf und eine P hotographie m
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