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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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doch gerade der Vorteil. Überlege doch nur, wenn ich ein anständiges Mädchen aus gutem Haus bleibe, dann heira t et m i ch am Ende noch je m and und verklagt dich auf die Hälfte von deinem neuen I m periu m .«
    Es war vielleicht unklug, ihn zu verärgern, solange sie noch auf seine Unterstützung angewiesen war, aber sie konnte diese Heuchelei nicht ertra g en. Respektabel! Er h a tte s i e n i cht wieder gek ü ßt, aber die Art, wie er sie ansa h , war g l eich geblieben, und außerdem wußte sie genau, daß er sich wirklich Sorgen um die kleine Heiratsurkunde in ihrem Besitz m achte. Heinrich Fehrs Testa m ent, bei einem Münchner Anwalt hinterlegt, hinterl i eß ihr ei n e kleine Summe, wie groß, das würde sie ge n au erst m it Eintritt ihrer Volljährig k eit erfahren. Aber das Geschenk aus d e n Akten der Herren Korimorth und Guim verli e h ihr Ansp r uch auf er h eblich m ehr; sie h a tte Käthes Freundin, Frau Augspurg, die Jurist i n, deswegen befragt und einiges über die Teilung von Ver m ögenswe r ten erfahren. Nicht, daß sie das Geld haben wollte. Philipp konnte es behalten u nd d a m it fortfahren, aus seinen Verbindungen zu den B ayerischen Motorenwerken Kapital zu schlagen. Er versorgte jet z t schon die m eisten bayerischen Auto m obile m it ihren Interieurs und versuchte, das auch auf das Reich auszudehnen. W enn sie erst ein m al als Schaus pi elerin ar b eitete, dann würde sie keinen Pfennig m ehr von ihm anneh m en, aber bis dahin gab es keinen Grund, die W affe in ihrer Hand nicht zu nutzen, um sich einen guten Beginn zu er m öglichen.
    Hinzu ka m , daß ihr diese W ortg ef echte m it Philipp Spaß m a chten. Er war alles andere als dum m , und sie m ußte zugeben, die Vorstellung, diese kühle Selbstbeherrschung noch ein m al erschüttern zu können, hatte etwas Aufregendes an s i ch, das längst nichts mehr m it der Provokationslust eines Kindes zu tun hatte.
    Trotzdem mochte sie ihn nicht besonders. Er sprach von Käthe im m er als »deiner s c h r eiben d en Rot m a m sell« oder, in d er l e tzten Zeit im m er häufiger, »der jüdisch e n Bolschewistin«. Frau Hallgarten, die ihn vor allem dadurch verärgerte, daß sie an Feiertagen die republikanische schwarzrotgoldene Flagge hißte, während der Rest der Villen in der Pienzenauerstra ß e die alte m onarchische schwarzweißrote Flagge aufzog, um die gebührende Verachtung für die »Nov e m berrepublik« zu de m onstri e ren, war »das Pazifisten w eib«. Nein, Phili p p e m pfand entsc h ieden keine Sy m p athien für Frauen, und das galt nicht nur für solche, d e ren Ansichten ihm nicht paßten. Er behandelte Marianne wie ein n ü tzliches Möbelstück, das gewiß poliert wer d en m ußte, da m it es glä n zte, aber be s tim m t nicht um seine Meinung gefragt wurde. Carla hatte den Verdacht, daß ihm eine frauenlose Welt lieber gewesen wär e , wenn er sie e b en a n derer s eits nicht brauchte. Er betrog Marianne, das pfiffen sogar die Spatzen von den Dächern, auf die gleiche sys t e m atische Art, in der er sich den Sonnta g nach m ittag zum Tennisspielen frei h i elt und je d en Morgen die Turnübungen m achte, die er in der A r m ee gelernt hatte. Dienstaga b ende waren für sei n e E h ebrüche d a. Nicht, daß er eine feste Geliebte hatte, denn eine s t ändige Beziehung hätte ja ein zu großes Interesse für eine Frau d e m o nstriert. Nein, Carla m o chte Philipp nicht, sowenig, wie er sie m o chte. Aber sie träu m t e manch m al von ih m .
    Hin und wieder de m onstrierte er allerdings so etwas wie Hu m o r und wurde beinahe m enschlich. Sie h a tte eigentlich erwartet, daß er auf ihre B r eit s eite in Sachen Ver m ögenst e ilung m it einem eisi g en Blick r e agi e rte, doch statt d e ssen lächelte e r , e i n winzig e s Philip p- Lächeln m it geschlossenen Lippen; son s t rüh r te s i ch nic h ts in seinem Gesicht.
    »Mein Kind«, sagte er, »ganz gleich, welchen Beruf du ergreifst und ob du nun heiratest oder nicht, ich hege vollstes Vertrauen in deine Fähigkeit, keine anständige Tochter aus gutem Hause zu bleiben.«
    Nun, es w a r eine zugegebener m aßen gekonnte Beleidigung, aber sie würde nicht zulassen, daß er das letzte W ort behielt.
    »Danke«, entgegnete Carla und blieb ihrerseits ernst. »Es wäre schlimm für m i ch, deine Zuneigung zu verlieren, Schwager Philipp, und ich weiß doch, du m agst keine anständigen Mädchen.«
    Mariannes P erlenkette riß, und die kleinen, weißen Kugeln,

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