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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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die auf den Boden fielen, wurden bis auf ein leichtes Flapsen geräuschlos von dem dichtgeknüpften Teppich verschluckt. Mit zitternden Händen beugte sie sich vor, um sie aufzulesen.
    »Es tut m i r leid«, sagte Carla und meinte nicht die Perlen, obwohl sie neben Mariannes Stuhl niederkniete, um ihr zu helfen.
    »Laß es sein und geh«, erwider t e Marianne, mühs a m beherrscht.
    »Geh einfach weg.«
    Nein, weder Marianne noch Phil i pp bildeten Hi n dernis s e auf dem Weg zur Bühne. Es war Käthe, die entsetzt, lange und energisch protestie r te.
    Käthe h a tte sich in den letzten Jahren kaum verändert, lediglich ihr braunes Haar, das sie nun, wie Car l a, kurz trug, zeigte einiges Grau. Sie bewohnte zwei Zi mm er i m Lehel, m it denen sie sehr zufrieden war, sprach jedoch davon, selbst nach Berlin u m ziehen zu wollen, denn München wurde ihr im m er unerträglicher. Daß m an den Führern des Putschversuches von 1923 vor Gericht »edelste vaterländische Motive« unterstellt und ihnen nur m i n i m ale Haftstrafen auferlegt hatte, war schon schlimm ge n ug gewesen, aber in diesem Jahr ließ die Regierung es z u , daß der vorzeitig e n tlassene Adolf Hitler die n a tion a lsozi a li s tisc h e Pa r tei wi e der ins Leben rief. Im m e rhin war es gelungen, Pöhner vor Gericht zu beordern, wegen des Mordes an dem Abgeo r dneten und dem Dienst m ädchen, aber noch ehe er seine Aussage m a chen konnte, starb er »durch einen Unfall«, wie es hieß, und alle Versuche, die F e m e m örder juristisch zu belangen, blieben ergebnislos. Als nun der neugewählte Präsident, Hindenburg, den sie als General aus dem Krieg ohnehin verabscheute, anordnete, al l e offiziellen deutschen Gebäude hätten wieder die s chwarzweißrote Fahne zu hissen, ohne nennenswerten Protest der SPD, war das für Käthe der T ropfen, der das Faß zum Überlaufen brac h te. S i e trat der kom m unistischen Partei bei. Aber ehe sie daz u ka m , es Carla zu erzählen, breitete das Mädchen ein e n haarsträubenden Unsinn vor ihr aus.
    »Carla«, sagte Käthe, ohne sich d i e Mühe zu machen, ihre Bestürzung zu verschleiern, »das ist das Tö richtste, w as ich je gehört habe. Dir steht es frei, zu studieren, w a s immer du möchtest. Du bist intelligent genug, um dich für jeden Fac h bereich zu qualifizieren. Und da willst du all deine Gaben an einen Beruf verschwenden, den jedes hirnlose Sumpfhuhn ausüben könnte, wenn es nur die entsprechende Figur hätte?«
    Carla errötete, was sie nur noch sehr selten tat. Käthe er h ob sich von d e m S t uhl, auf d e m sie gesessen hatte, und dabei wurde ihr zum ersten Mal bewußt, daß Carla und sie nun die gleiche Größe hatten und es un m öglich war, auf ihre ehemalige Schülerin herabzublicken. Plötzlich erschien ihr das schlanke junge W esen m it den roten Haaren, die sich wie ein Helm um ihr e n Kopf legten, wie eine Fre m de. Wo war das ernsthafte Kind m it den tintenversch m ierten Fingern g e b li e b e n?
    »Das ist nicht wahr«, entgegnete Carla heftig. »Es genügt nicht, hübsch zu sein, um Schauspielerin zu werden. Man m uß sich verändern können. Eine ganz andere Person werden. Und ich kann das. Kathi, das habe ich m i r immer gew ü nscht und…«
    Später dachte Käthe über die B e deutung dieses Einwands nach, aber jet z t u n terb r ach si e : »Das i s t ver m utlich all e s Robe r t Königs Schuld. Dr. Gold m ann hat m ir erzählt, daß er die gleichen unsinnigen Vorstellungen hegt. Carla, du bist doch kein Kind m ehr, das m it ihm wetteifern m uß!«
    »Das hat da m it nichts zu tun«, m u r m elte das Mädchen verstockt, doch Käthe sah nun alles ganz deutlich vor sich.
    »Ihr übt einen schlechten Einfluß a u feinander a u s. Er ist e n t s etzlich verzogen, aber das ist natürlich auch Martins Schuld, und ich hatte gehofft, daß sich diese Unreife nicht auf dich…«
    Dies m al war es Carla, die unter b rach, nicht mehr verärgert, sondern b e lustigt: » M a r t i n ? Seit wann stehen Sie denn auf du und du m it Dr. Go l d m ann, Kathi ? «
    Es war ein offensichtlic h es Ablenkungs m anöver, doch Käthe kon n te nicht umhin, die Implikation z u rückzuwei s en. » W ir duzen uns keineswegs«, erklärte sie steif. »Aber die Jahre haben eine gewisse Vertra u t heit m it sich gebracht, d i e es erlaubt, d aß zwei er w achsene Menschen sich m it ihrem Vorna m en anreden.«
    Mit wieder h ergestellter guter L aune warf sich C a rla auf Kät h es Sofa, ohne auf die

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