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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Tr a uben ide n ti f izi e rt. Diet e r l e ist e te Hervorragendes in der Hauptrolle, aber s e ine m akellose Darstellung wurde als selbstverständlich hing e nommen, gen a uso wie die exquisite Zartheit von Felicitas als Nae m i und Andreas leidensc h aftlic h e Magdalen S i bylle. Dies war nicht Dieters Nacht oder Feuchtwangers Nacht oder die des Theater 22; es war eine Sensationsnacht, es war Roberts Nacht.
    Aber an diesem mangelnden Gleic h gewicht lag es nicht allein. Die Szene m it dem Vergewaltigungsversuch ka m , und Robert verpatzte wieder einen Satz. Die s m al war es nicht allein seine Schul d ; nach der B e m erkung über Salomons tausend W eiber rief je m and i m Publiku m : »Jüdische Verleumdung!« Dadurch geriet Robert so aus dem Gleichgewicht, daß er in seinem nä c hsten Satz die Hauptwörter verdrehte.
    »Läutet die Kanonen und feuert die Glocken!«
    Ehe je m and lachen konnte, sprang er m it einem einzigen Satz von der Treppe direkt auf den Boden der Bühne. Es war gefährlich, akrobatisch und brachte ihm den bisher größten Applaus des Abends; d i e Leute klatschten stehen d .
    Jean-Pi e r r e blieb s i tzen. Gut, Robe r t s Gei s tesg e genwart h a tte den kleinen Versprecher ungeschehen ge m acht, aber die Art u n d W eise, wie er reagierte, war u n profession e ll. Der fünfzigjährige K arl Alexander, dem sich das Objekt seiner Lust gerade durch S elbst m ord entzogen hatte, veranst a ltete keine solchen Turnübungen. Es war ein Zirkustrick, sehr effektiv, aber nur ein Trick, und Jean-Pierre begriff den zweiten Grund der Unzufriedenh e it, die ihn plagte. So, wie Robert die gebannte Aufmerksa m keit d e s Publiku m s in sich hineinsog, m achte er sich abhängig von dieser überschwenglichen Begeisterung, und das war nicht gut, besonders nicht in seinem Alter, denn er würde sie nie wieder in die s er r e inen Weise beko mm en. Und die Versuchung, sie sich dann durch Tricks zu erkaufen, würde im m ens sein.
    Trotzde m , es war ein triu m phaler Abend, der Stolz in Jean-Pierre überwog das Ressenti m ent und die Beunruhigung. Er stim m te in den frenetischen Schlußapplaus ein, der Robert wieder und wieder vor den Vorhang holte, m i t seinem tiefen, überschwenglichen Lachen, das wie ein Urwaldfeuer aus ihm herausbrach. Er warf die Ar m e hoch, legte sie um Dieter und Fel i citas und verbeugte sich, nicht zu tief, um bald wieder in die Menge sehen zu können, jetzt, wo das Haus wieder erleuchtet war.
    Für Robert war es bes s er als alles, was er bisher erlebt hatte. E r e m pfand einen körperlichen Sch m erz, als das Klatschen langsam verebbte, und verwünschte den Requisiteur, der den Vorhang nur noch etwas öfter fallen zu la s sen brauchte. Da, noch ein m al, noch ein m al, und dies m al verbeugte er sich nicht, er stand nur da und ließ die Begeisterung auf sich einprasseln wie warmen Regen.
    Da habt ihr mich, dachte er, und als der Vorhang sich zum letzten Mal senkte, war ih m , als habe m a n ihm den At e m zum Leben entzogen.
     
    Carla brauchte nicht lange, um Philipp und Marianne die Erlaubnis und die finanziellen Mittel abzurin g en, um nach Berlin zu gehen und sich bei der von Max Reinhardt gegründeten Schauspielschule zu bewerben.
    »Natürlich wünschte ich, du hättest eine andere Entscheidung getroffen«, sagte Marianne, während ihre Finger nervös an der langen Perlenkette, die sie trug, entlangwanderten.
    Marianne war keine gute Lügnerin, dachte Carla m it einer Mischung aus Spott und Traurigkeit, denn sie wußte, daß ihre Gegenwart der Schwester Unbehagen berei t ete. Marian n e hatte s i e empfangen, pflichtbewußt, während all der Ferienw o chen in den letzten zwei Jahren, doch sie hatten nie m iteinander über die Vergangenheit gesprochen, und für die Gegenwart fanden sie kaum Gesp r ächsthe m en, denn Marianne mißbilligte fast alles, was Carla be s chä f tigt e , und lebte zie m lich offensichtlich in der Furcht vor durch ihre jüngere Schwester verursachten Peinlichk e iten. Außerdem lauerte im Hintergrund ständig die unausgesprochene Spannung zwischen C arla und Philipp, und Marianne hätte blind se in m üssen, um sie n i cht zu be m erken.
    Philipp erhob etwas stärkere Ein w ände und wies auf die große Gefahr der Arbeitslosigke i t hin, aber er klang auch nicht glaubwürdiger als Marian n e.
    »Selbst we n n du Erfolg hast es i s t nicht e b en ein res p ekta b ler Beruf«, schloß er.
    »Aber Philipp«, entgegnete Carla sarkastisch, »das ist

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