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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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für immer und ewig. Und so sei Gott mit mir!«
    Sie wußte, daß sie üb e rt r ieben h a tte, ehe der m ittlere M a nn den Mund öffn e t e und kom m entierte: »D as war keine Heili g e, Fräulein Fehr.«
    »Ja«, gestand Carla kleinlaut ein, a b er sie hielt den Blicken der drei stand, ohne den Kopf zu senken. Der dritte überreichte ihr ein Blatt, auf d e m nur einige W orte getippt standen.
    »Euer Schweigen verdrießt mich am meisten«, las der Opern f reund als Don Pedro in Viel Lärm um Nichts, »nic h ts klei d et Euch besser als Munterkeit, denn Ihr seid ohne Frage zu e i ner lustigen Stunde geboren.«
    »Oh nein, gnädigster H err«, antwortete Carla als Beatrice u nd erkannte die F alle, die in dieser kurzen Stelle lag. In ei n em Satz c h ar m ant und fröhlich zu sein, ohne künstlich grell zu wirken, war schwer. »… denn meine Mutter weinte. Aber es tanzte eben ein Stern, und unter dem bin ich zur Welt gekommen.«
    Das war alles. Nichts weiter. W enn sie schon etwas aus diesem Stück nehmen, dachte Carla, war u m dann nicht eine längere Stelle?
    Ein ganzes Streitgespräch zwischen Benedikt und Beatrice? Aber sich m it einem Satz beweisen zu m üssen, das war einfach ungerecht.
    »Es ist Ihnen doch klar, daß Sie a u ch als Absolventin dieser Schule keine Garantie haben, in das Ense m b le aufgenom m en zu werden ? «
    Es dauerte einige Mo m ente, bis Carla die I m p l ikation der Frage begriff. Sie nickte und sagte laut, als sie ihre Stim m e wieder unt e r Kontrolle hatte: »Ja, das weiß ich.«
    »Gut«, m einte der Opernfreund, »dann können Sie sich m i t unserem Studienplan vertraut m achen.«
    Unterricht in der Schauspielschu l e des Deutschen Theaters bedeutete zunächst ein m al Kurse in S p rache und Diktion oder, um die vollständige Auflistung aufzuführen: Aussprache, A usdruck, Phrasieren, Rhyth m us, gebundene Sprache, Ges c h m eidigkeit, Intonation, Freiwerden von Akzent und Dialekt, Stimmqualität, Sprache als Grundele m ent der Persönlichkeit.
    »Lektionen in der Schauspielkun s t, das Vernunft- und gefühls m äßige Einverleiben einer Rolle, werden erst ab d em zweiten Se m ester dazukom m e n«, sagte die Sprachlehre r in warnend in ihrer ersten Stunde, »aber es steht Ihnen natürlich frei, schon vorher Privatunterricht zu neh m en, wenn Sie in der L age sind, darüber Ihre G rundausbildung nicht zu vernachlässigen.«
    Bereits im ersten Se m ester, das am 15. Septe m ber begann und bis zum 23. D e ze m ber dauerte, erhielten die Schüler außerdem einen geschichtlichen Überblick über den Ursprung und die Entwicklung des Theaters, seine verschiedenen Arten, über Methoden und W eisen der Inszenierung und die wichtigsten Dra m atiker. Dazu k a m ein Kurs in Koordination: Tanz, Kör p erbewegung und Fechten. Carla verbrachte i h re Tage ausge f üllt, ers c hö p ft und gl ü cklich. Selbst d as kalte Zimmer ohne W aschgelegenheit im Par t erre m achte ihr nichts aus, obwohl sie sich daran gewöhnen mußte, daß sich die Toilette in der Zwischenetage befand und für die B ewohner von zwei Stockwerken reichen sollte. Man m erkte, daß die Rau m aufteilung ursprünglich anders gedacht gewesen war, doch die Ver m i eterin, die von ihrer W itwenrente nicht leben konnte, sc h lief m it ihren drei Kindern in einem Z i m m er und w a r darauf ang e wiesen, all die anderen zu ver m i eten. Als Carla noch gehofft hatte, m it Käthe zusam m en z uziehen, hatte sie den Raum bei Frau Pah l ke nur für eine Übergangszeit neh m en wollen, aber nun verschwendete sie keinen Gedanken darauf, u m zuziehen. Jeden Morgen und jeden Abend die Treppe hochlaufen zu m üssen war nichts, verglichen m it d e m berauschenden Gefühl, endlich m it dem ersehnten Leben begonnen zu haben. Das dachte sie, bis ihr Robert die Zeitungsausschnitte über sein Debüt als Herzog Karl Alexander in Jud Süß schic k te.
    Sie hatte Roberts Behauptung, für die zweite H auptrolle engagiert worden zu sein, nicht so ernst genommen und ver m utet, er hielte im Theater 22 ein Tablett oder dürfe bestenfalls ein paar Zeilen sprechen. Schließlich übertrieben sie beide stän d i g m it d e m , w a s sie einander erzählten. Aber da lagen sie vor ihr, sc hw arz auf weiß, ei n e Lobeshy m ne nach der anderen: » D er junge deutsche Schauspieler gab ein triumphales Debüt«, »eine interessante und bewegende Darstellung«, »Robert König verlieh dem Herzog einen Hauch von Verwundbarkeit und Gefühl in seiner w ollüstigen

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