Unter dem Zwillingsstern
ein Lob. Es gab nur einen Hinweis, an dem m a n erkennen konnte, etwas richtig ge m acht zu haben; wenn sie guter Laune war, erzä h lte sie Geschichten aus ihren Theatertagen, und wenn sie sehr guter Laune war, fügte sie etwas Klatsch hinzu. Allerdings kam es erst dazu, wenn die Stunden, für die sie bezahlt wurde, vorbei waren, und daran konnte Carla er m essen, wie Renate Beuren ihre Leistung bewertete.
Sie wußte nicht, ob sie S y m pathie für Frau Beuren e m pfand. Wenn die alte Schauspielerin aufbrause n d gewesen w äre, wie einige ihrer Lehrerinnen in Hohencre m , dann h ä tte Carla sich entweder für Rebellion oder für kalten W i derstand entscheiden können. Doch die Kritik ihrer Lehrerin äußerte sich immer in knappen, treffenden Be m erkungen, nie m als laut oder überfl ü ssig wortreich. Renate Beuren kam ihr wie ein Vogel vor, der einen Bau m stamm von Käfe r n befreite. Das kurze, tief in die Rinde e i ndringende Picken m ußte sch m erzhaft sein, doch letztendlich half es dem Bau m . Es förderte allerdings auch kaum freundschaftliche W ä r m e.
Von Frau Beuren ein Glas Li m onade serviert zu bekommen war daher ein höchst ungewöhnliches E r eignis, trotz der Sommerhitze, und Carla fühlte sich ermutigt gen u g, um zu erzählen, wie enttäuscht die Eleven der Schauspielschule g e wesen seien, die sich keine So mm erkurse leisten konnten, weil Max Reinhardt immer noch in A m erika war und erst im August zurück ke hren würde.
»Ja«, kommentierte Renate Beur e n, »es heißt, er würde dort über eine Verfilmung des Mi r akels verhandeln. W as für ein Unsinn. Fil m e sind das Reservoir der Untalentier t en. Max sollte die Finger davon lassen.«
Hätte es si c h um Käthe gehandelt, so wäre das jetzt f ür Carla d a s Signal für eine Diskussion gewesen. Doch sie fühlte sich Frau Beuren einfach nicht nahe genug, um ihre Vorliebe für das Kino zu offenbaren, beschränkte sich daher darauf, sie über Max Reinhardt auszuhorchen, und erkundigte sich, worin der Meinung ihrer Lehrerin nach das Gehei m nis von Max Reinhar d ts Regie läge. Renate Beuren legte den Kopf schief, und ihr Gesicht nahm ei nen fast verträu m ten Ausdruck a n .
»In seinem Enthusias m us. Er hat die seltene Gabe, Begeisterung ver m itteln zu können, ohne die Kontrolle zu verlieren. Ich h abe erlebt, wie er Pallenberg die gleiche Szene ein p aar m al spielen ließ, nicht weil ihn etwas daran störte, sondern weil er Pallenbergs Darstellung so bewunderte. W as, nebenbei be m erkt, verständlich war; nichts ist so selten wie ei n wirkl i ch guter ko m ischer Schauspieler. Es ist l e ichter, tragisch zu s ein, das werden Sie noch m erken. Jedenfalls ließ er sich die Schülerszene wie d erholen und wiederholen und lachte jedes m al darüber. Und er arbei t e t m it jedem seiner Dar s tell e r; er hat einen Blick für die S tärken und Schwächen, wie ich ihn noch bei nie m and e m sonst erlebt habe. Auß e r«, fügte sie etwas boshaft hinzu,
»bei der Thi m ig, versteht sich. Die ar m e Helene.«
Carla unterdrückte ein Lächeln. Wenn Frau Beuren zum Klatsch überging, m ußte ihre Stunde wir k lich sehr gut verlaufen sein.
»Lassen Sie sich das eine W arnung sein, und fangen Sie nie eine Affäre m it dem Theaterdire k tor an. Die gute Helene hätte das Zeug zu wesentlich m ehr, do c h seit Jahren darf sie nur unschuldige, reine Jungfrauen oder unsch u l dige, rei n e Gattinnen verkörpern, und all m ählich wird sie zu alt dafür. Sie müssen sie ein m al als Glauben im Jedermann sehen, dann wissen S ie, wie Max sie am liebsten im m er präsentieren würde. D i e Frau, die jeder m ann a m liebsten zur Schwester h ätte.«
Sie m achte eine kunstvolle Pause, und Carla schoß es unwillkürlich durch den K opf, daß Renate Beuren brillant in den Gesellschaftskomödien von Oscar W ilde oder Carl Sternheim gewesen sein m ußte.
Das war die Stelle, wo das Publikum lachte, und ihr Zeitgefühl ließ sie nicht im Stich, die P ause w u rde nicht lange genug, um effekthaschend zu wirken.
»Von Jungfrauen und Glaubensallego r ien direkt ins Mütterfach überzugehen m ag vielleicht zu versch m erzen sein, wenn m a n dafür die Gastgeberin in einem Schloß spielen darf, aber das hat ihr eine böse Fee ja ebenfalls verscherzt. W i ssen Sie, m ein Kind, Else Heims war eine hervorragende Minna von Barnhelm und eine passable Alk m ene, aber als rachsüchtige Ehefrau bleibt sie ungeschlagen.«
Sie trank von ihrer L imonade. » E
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