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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Jahr, selbst wenn es nicht klappte? Dann hatte s ie im m erhin A m erika kennengelernt und keinen Grund m e hr, Robert wie in ihrer Kindheit um seine Freiheit, in der W eltgeschichte heru m z ureisen, zu beneiden. Dann holte sie ei n e in n ere Stim m e, die verdächtig wie die Kathis klang, wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. W enn sie ihre erste Stellu n g hinwarf, würde nic h t nur das Nürnberger Theater, sondern auch Herr Held und Frau Beuren nie wieder etwas m it ihr zu tun haben wollen, und was Beurteilungen für zukünftige Engage m ents anging… Sie schauderte. Außerdem konnte sie sich nur allzu deutlich vo r st e llen, wie Robert es f e r ti g brachte, daß sie bei d e völlig m ittellos in irg e ndeiner a m erika n isc h en Ödnis strandeten. Ihr S chulenglisch, ihre dritte und letzte Sprac h e, genügte bestenfalls für ein Gespräch über das W etter. Ganz zu schweigen davon, daß er vermutlich von ihr er w artete, daß sie seine Kri t zeleien abtippte. Sie konnte sich nur allzugut an seine zahlreichen Geschäfte und Erpressungen wegen Rechenaufgaben erinnern.
    »Nein danke, Lessing«, entgegnete sie. »Ich bleibe hier und werde die neue Durieux. W enn du m it deiner Dra m aturgie zurückkom m st, darfst du sie m i r wid m en.«
    »Feigling«, sagte er, stand auf und warf ihr sein nasses Handtuch auf den B a uch. Das erforderte natürlich u m g e hende Rache, die sie schließlich beide wieder ins W ass e r beförderte. Als sie dies m al an Land kletterten, sagte Robert leise, so daß sie es in d e m allge m einen Gekreische um sie herum fast üb e rhört hätte: »Weißt du, ich werde dich ver m issen.«
    Das m achte ihr m it ei n em mal klar, daß sie ihn erneut m onatelang nicht sehen, wieder in einer fre m den Stadt allein sein würde. Carla schluckte, dann antwortete sie offen: »Ich habe dich schrecklich ver m ißt.« Doch da m it er sich das nicht zu Kopf steigen ließ und weil sie es in der Tat wissen wollte, f ügte sie iro n isch hinzu: »Nu r , ob ich dich weiter schrecklich ver m issen werde, hängt davon ab, ob du die Antwolfen wirklich hübscher findest als m i ch.«
    »Du nicht ? « fragte Robert zurück und wich ihrem Ellenbogen aus.
    »Sie hat schöne braune Locken, aber sonst…«
    »Tiefblaue Augen, eine gute Figur…«
    »Das Tra m peltier!«
    »…und vor allem einen hervorragenden Geschmack in ihrer Garderobe, nicht so aufdringlich wie gewisse andere L eute.«
    »Oh, ich werde dich ganz bestim m t nicht ver m issen.«
     

8. K APITEL
     
    Ganz unten in der Hierarchie eines Provinzt h eaters anzufa n gen bedeutete zunächst ein m al Arbeit und noch ein m al Arbeit, ohne die Früchte in Form von guten Rollen als Belohnung zu haben. Carla spielte von Zofen bis zu Zeitungsjungen alle kleinen Rollen, die sie beka m , m e i stens zwei oder drei im gleichen Stück, weil das für das Theater billiger war, als zusätzli c h L eute für Kurzauftritte zu bezahlen. Keine der Rollen bot viel Gelegenheit, mehr als jugendlichen Eifer zu zeigen, von schauspieleri s cher Tiefe ganz zu schweigen, doch sie stand auf der Bühne, und das war es, worauf es ihr ankam. Außerdem verdiente sie hundertfünfz i g Mark im Monat, sehr wenig, aber das erste eigene Geld und d e finitiv ein Pflas t er s t ein auf dem Weg zur Unabhängigkeit, die sie bis zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag erreichen wollte. Sie verließ sich lieber nicht auf das, was Schwager P hilipp i h r d a nn als i h r E r be übe r reic h en würde. A lso h a tte das Zim m er in Nürnberg wieder keine W aschgelegenheit, doch i mm erhin lag es im vierten Stock, und die W ände waren trocken, nicht feucht.
    In Nürnberg zu wohnen brachte sie München um vieles näher. Dennoch wunderte es Carla, als Marianne sie zu einem Besuch einlud; d e r Brief ihrer Sc h wester k lang sogar regelrec h t glücklich, und sie erwähnte eine »Überraschung«. Nach einigem Grübeln schlußfolgerte Carla, daß Marianne ein K i nd erwarten mußte. Das hatte ihre Schwester sich schon immer gew ü nsc h t, und es erklärte ihre veränderte Einstellung. An einem Wochenende im Deze m ber fuhr Carla m it d e m Zug nach München, im Gepäck ein paar Lebkuchen und eine Schallplatte. Ihr Vater h a tte sich s elb s t im Krieg ein neu e s Grammophon angeschafft, als das alte kaputtging, und sie war bereit, zu wetten, daß Marianne m it ihrer Liebe zur Mu s i k das Gerät ebenfalls reichlich benutzte.
    Es verursachte ihr ge m i schte Gefüh l e, die alte V illa

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