Unter Den Augen Tzulans
Großmeister?«, sagte Lodrik freundlich. »Er hat sämtliche Reitknechte und den Stallmeister geschlagen. Eine großartige Leistung. Ihr als exzellenter Reiter werdet es sicherlich noch besser einschätzen können als ich.« Er wandte sich dem Jungen zu. »Tritt näher, Tokaro. Das ist Nerestro von Kuraschka, Großmeister des Ordens der Hohen Schwerter, der sich die Zeit genommen hat, sich meine Pferde anzuschauen und sein Urteil abzugeben.«
»Er ist die höfischen Sitten nicht gewohnt, was?« Der Ritter grinste und nickte in Richtung der falschen Haare, die der Junge wie eine Mütze hielt. »Aber ich verzeihen dir, danke mir nicht für meine Milde. Ich habe mein ganzes Leben lang keine Perücke getragen und mich nicht sonderlich um das schöntuerische Zeremoniell gekümmert. Ich fand die Vorstellung furchtbar.«
»Das ist der Grund, warum ich auch keine mehr trage«, bestätigte der Kabcar gut gelaunt. »Die meisten sind mehr Flohbrutstätte als alles andere.« Er hielt Tokaro einen Pokal hin. »Hier, trink auf deinen Sieg. Du hast dein Leben gerettet und einen Hengst erhalten. Auch wenn mich der Verlust des Schimmels sehr schmerzt.«
»Treskor wird für Euch viele Rennen gewinnen, wenn ich ihn reite, hoheitlicher Kabcar«, sagte der Knabe und roch an dem Gefäß. Noch nie in seinem Leben hatte er Wein getrunken, und er war sehr neugierig auf den Geschmack, den die Erwachsenen so sehr lobten. Als er den ersten Schluck auf der Zunge spürte, verzog sich ungewollt sein Gesicht, beinahe hätte er den Alkohol auf den Teppich gespuckt.
Die beiden Männer lachten.
»Noch weiß er den Wein nicht zu schätzen«, bemerkte Nerestro, »aber das wird sich in ein paar Jahren legen.« Er prostete dem Jungen zu. »Ich habe dich beobachtet, Tokaro. Ich bin beeindruckt von deiner Kunst. Auch ich sah niemals zuvor einen so jungen Menschen, der solche Kunststücke beherrscht.« Nerestro musterte ihn und überlegte kurz. »Überlasst den Jungen mir, hoheitlicher Kabcar«, sagte er dann. Tokaro blieb das Herz stehen. »Ich würde ihn gerne als Knappen mitnehmen. Ein solches Talent darf nicht auf der Rennbahn vergeudet werden.«
»Ein gewöhnlicher Knabe, ein Niederer, der Sohn einer Magd als Ordensritter?« Lodrik zeigte sich erstaunt und klappte das Buch zu. »Wie soll das angehen?«
»Ich adoptiere ihn«, erklärte der Großmeister. »Damit dürften alle Schwierigkeiten beseitigt sein.«
»Ich weiß nicht, ob meine Mutter damit einverstanden ist«, meldete Tokaro vorsichtig seine Bedenken an. Der Gedanke, irgendwann eine solche Rüstung tragen zu dürfen, schmeichelte ihm zwar, aber sich dafür einem völlig Fremden anvertrauen und womöglich noch die seltsamste Ausbildung über sich ergehen zu lassen, das ging ihm zu weit.
»Junge, es wäre eine Ehre, wie sie noch niemandem vor dir in der Geschichte unseres Ordens zuteil wurde«, meinte der Ritter fassungslos, die braunen Augen sprachen Bände. »Deine Mutter würde vor Freude sterben., wenn sie es erfahren würde.« Der Kopf drehte sich wieder zum Kabcar, sein Blick wurde eindringlich. »Bitte, hoheitlicher Kabcar, Ihr müsst mir den Knaben anvertrauen.«
Lodrik verzog den Mund und schaute zu Tokaro. »Wenn er nicht will, werter Großmeister, dann will er nicht. Ich werde es ihm nicht befehlen.«
»Ich möchte nicht«, bestätigte der Knabe mutig angesichts des Berges aus schimmerndem Stahl vor sich. »Ich will Rennreiter des Kabcar sein, nichts anderes.« Schnell stürzte er den Wein hinunter, ein warmes Gefühl verbreitete sich in seinem Magen.
Maßlose Enttäuschung spiegelte sich im Gesicht des Ritters wider. »Nun, eine solche Gelegenheit wird einem im Allgemeinen nur einmal im Leben gegeben, Junge. Schade, dass du sie vertan hast, und in ein paar Jahren wirst du dich sehr darüber ärgern.« Er stellte den Pokal ab, nahm seinen Helm unter den Arm und verneigte sich vor dem jungen Herrscher. »Ich beglückwünsche Euch zu Eurem neuen Rennreiter und zu den Pferden, die ich gesehen habe. Ich würde gerne ein paar meiner Stuten vorbeibringen lassen, um sie decken zu lassen.« Der Großmeister sah zu Tokaro. »Auch von deinem Hengst …«
»Treskor«, half der Junge.
Nerestros Miene wurde nachdenklich, mit einer Hand fuhr er sich die Bartsträhne entlang. »Treskor? Den Namen habe ich schon einmal gehört. War das nicht das Pferd des Leibwächters? Waljakov hieß er.«
Lodriks blaue Augen gefroren zu Eis. »Ja. Der Hengst stammt von dem Rappen ab, der hoffentlich
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