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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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mir, Großmeister«, lenkte der Seneschall ein. »Ich wollte nicht respektlos sein. Es ist nur für uns, die die Toten nicht sehen, schwer vorstellbar.«
    »Ich weiß«, sagte Nerestro, augenblicklich freundlicher gestimmt. »Ich weiß.« Er schaute kurz zur Seite. »Auch Rodmor verzeiht Euch, und daher erlasse ich Euch die Strafe von zwanzig rituellen Gebeten zu Ehren Angors. Dankt mir nicht für meine Milde.«
    »Wenn Ihr … und Rodmor Recht behaltet und irgendetwas eignet sich die aldoreelischen Klingen an, dann muss das doch etwas zu bedeuten haben, oder?« Nun fing auch Herodin an zu grübeln. Auch wenn die Bedenken seines Herrn einem Wahn entsprangen, so war etwas an ihnen, über das man nachdenken sollte.
    »Sehr richtig beobachtet«, lobte Nerestro. »Und das bedeutet, dass was auch immer sich die Schwerter aneignen möchte, aufgehalten werden muss. Wenn nichts mehr auf dem Kontinent existiert, was das Böse, egal in welcher Form, aufzuhalten vermag, sind der Finsternis Tür und Tor geöffnet.«
    Der Seneschall schien halbwegs überzeugt zu sein. »Sollten wir den Kabcar über unsere Entdeckung in Kenntnis setzen?«
    Der Großmeister fuhr sich mit der Hand über die kurzen braunen Haarstoppeln auf seinem Kopf. »Ich denke, dass unser Orden nach langer Zeit endlich wieder eine neue Aufgabe erhalten hat, und die sollten wir nicht dem Herrscher des Großreichs überlassen. Er hat genug mit Regieren zu tun. Von nun an wird es unsere Bestimmung sein, die wenigen aldoreelischen Klingen, die es noch gibt, wie unsere Augäpfel zu hüten und zu ergründen, wo die letzten beiden Exemplare verborgen sind«, verkündete Nerestro feierlich. »Aus diesem Grund werde ich beim nächsten Turnier in zwei Monaten die Suche ausrufen.«
    »Das heißt, wir werden schauen, ob die Schwerter noch in Ilfaris, Tûris, Serînka und Aldoreel lagern«, bemerkte Herodin.
    »Wenn ja, unterstellen wir sie unserem Schutz«, sagte Nerestro. »Und wenn nicht, sind die Sorgen Rodmors berechtigt. Unser Orden ist in den letzten zwölf Jahren wieder angewachsen, die neue Generation von Rittern steht bereit. Mehr als sechs Dutzend sind es, die sich den Hohen Schwertern angeschlossen haben, um Angor zu ehren. Zusammen mit ihrem Gefolge eine nicht zu verachtende Zahl, wie ich finde. Mit ihrer Hilfe müssten wir unser Ziel erreichen.«
    Er wuchtete sich aus dem Stuhl und platzierte seine juwelenbesetzte Waffe feierlich in den dafür vorgesehenen Ständer. Dann sank er auf die Knie, zog die Klinge hervor, küsste vorsichtig die Blutrinne und sprach ein stilles Gebet zu Angor, Herodin an seiner Seite. Nach einer Weile stemmte er sich in die Höhe.
    »Ich wünsche Euch einen angenehmen Schlaf, Herodin.« Er entließ seinen Fahnenführer, der nach einer Verbeugung der Aufforderung zu gehen nachkam.
    Müde löste der Großmeister einen Lederriemen nach dem anderen, bis er das Kettenhemd abstreifen konnte. Sorgsam hing er es über den vorgesehenen Ständer und entledigte sich nach und nach bis auf den Leibwickel seiner Kleidung.
    Prüfend fuhren seine Finger über die kräftigen Unterarme und tasteten nach Narben an seinem Körper aus vergangener und jüngster Zeit, als würde die Berührung die Striche und Wulste zum Erzählen ihrer Geschichte bringen.
    Als seine Rechte im Nacken angekommen war, zuckte sie zurück. Dieses Brandwundmal schmerzte zwar nicht mehr äußerlich, aber hatte tiefe Schrammen in der Seele des Ordensritters hinterlassen, die kein Heilmittel, kein Cerêler dieser Welt behandeln konnte.
    Die grausame Erinnerung brachte ihm das Gesicht von Belkala vor sein geistiges Auge zurück. Er sah und hörte ihr Lachen, schaute gebannt in die bersteinfarbenen Augen und roch den Duft des Haares, das die Farbe von dunkelgrünem Schattengras besaß.
    Nerestro presste die Lider zusammen, um das Bild der Kensustrianerin nicht mehr sehen zu müssen, aber seine Fantasie gewährte ihm keine Gnade, keine Milde. So sehr er es hasste, wenn diese Momente der Vergangenheit in seinem Hirn aufleuchteten und ihren Schein in die Gegenwart warfen, so sehr sehnte er sie herbei. Sie bedeuteten Qual und zugleich Freude gleichermaßen.
    Du hast deine Liebe verleugnet, schrie es innerlich. Aber es ging nicht anders, verteidigte sich ein anderer Teil von ihm, wissend, dass er auf verlorenem Posten stand. »Aber es ging nicht anders«, schluchzte der gewaltige Mann, der mit allen Gegnern, die ihn in die Schranken forderten, spielend fertig geworden war, und sank auf sein

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