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Unter Den Augen Tzulans

Unter Den Augen Tzulans

Titel: Unter Den Augen Tzulans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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gestreckten Galopp setzte er über einen Karren, der sich aus einer Seitengasse schob, und hetzte im Schein der aufgehenden Sonnen das Stadttor hinaus, vorbei an den rufenden Wachen, die gerne gewusst hätten, weshalb es ein Reiter so eilig hatte, Ulsar zu verlassen.
    Nach vier Warst verfiel Treskor in einen leichten Trab und suchte sich seinen eigenen Pfad. Tokaros Kraft reichte nur noch aus, sich halb besinnungslos in die Mähne zu krallen und sich im Sattel zu halten. Schließlich gelang ihm auch das nicht mehr.
    Der strenge, beißende Geruch stieß ihm in die Sinne und brachte ihn dazu, die Augen gegen seinen Willen aufzureißen. Tokaro blickte in die Züge eines von Fleischfäulnis entstellten Frauengesichts, und schreiend rutschte er in dem Bett nach hinten, in das Unbekannte ihn gelegt hatten.
    »Nur ruhig. Du bist in Sicherheit«, versuchte die Frau ihn zu beruhigen, was wenig brachte. Ihre dunkelbraun verfärbten Lippen zeigten schwarze Flecke, an denen die Krankheit ihre Vorzeichen hinterlassen hatte. Nicht mehr lange, und auch dort würden Haut und Fleisch von dem Brand aufgefressen. Durch die Löcher an Stirn, Jochbein und Wange schimmerte bereits blanker Knochen durch, rund um das Auge war die Haut größtenteils in Auflösung begriffen. Sie erhob sich traurig von der Bettkante und stöpselte das Fläschchen mit dem Riechwasser zu. »Ich werde lieber jemand anderes rufen.«
    Der Junge tastete an dem Verband herum, der seine nackte Brust umgab. Er sah sich in dem karg eingerichteten Zimmer um, entdeckte seine Packtaschen und die Büchse neben seinem Bett.
    Als er sich in die Höhe stemmte, stellte er fest, dass das stechende Reißen und Ziehen auf seinem Rücken verschwunden war. »Bei Ulldrael dem Gerechten, wo bin ich denn hier?«
    Vorsichtig lief er zum Fenster und schaute hinaus. Ein paar schäbige Hütten standen umher, die Ansiedlung wurde von einem hohen Palisadenwall umgeben. Gerade eben erkannte er einen Wachturm, der neben dem Eingangstor in die Höhe ragte.
    Sollte das etwa ein Totendorf sein? Aber die gab es doch schon lange nicht mehr. Was war, wenn sie ihn berührt hatte?
    Eine andere Frau um die dreißig Jahre, scheinbar ohne erkennbare Krankheit, betrat das Zimmer und lächelte den Jungen an. Sie trug eine einfache Tracht, hatte lange, zu einem Zopf geflochtene braune Haare und braune Augen. Behutsam näherte sie sich ihm. »Bjuta hat dir Angst gemacht, nicht wahr?«
    Tokaro zog die Nase hoch. »Rück mir bloß nicht zu dicht auf den Pelz«, meinte er argwöhnisch. »Wer weiß, was du mit dir an Krankheiten herumschleppst.«
    »Ein sympathisches Kerlchen«, lachte sie leise. »Ist das der Dank, dass wir dich aus dem Dreck gezogen haben?«
    Augenblicklich erwachte das schlechte Gewissen des Knaben. »Es ist ja nichts Persönliches, das musst du verstehen. Ich bin dir dankbar für die Hilfe. Aber …«
    »Nun weißt du nicht, ob du dich darüber freuen sollst oder nicht«, half sie ihm. Sie streckte ihre Hand aus. »Ich bin Damascha, die Vorsteherin des Dorfes.« Der Junge schaute abschätzend auf die Finger. »Keine Angst, ich habe nichts, was dir Schaden zufügen könnte. Ich bin nicht krank.«
    »Ach?« Immer noch aufmerksam schlug er ein, um sich die Hand verstohlen an der Hose abzuwischen. »Ist das ein Totendorf? Ich dachte, die gäbe es schon seit Jahren nicht mehr, seitdem der Kabcar die Untertanen heilen lässt? Mein Name ist Tokaro Balasy.«
    Wenn die Frau jemals etwas vom hoheitlichen Rennreiter gehört hatte, verbarg sie es vortrefflich. »Es freut mich, dich kennen zu lernen, Tokaro.« Sie nickte ihm zu. »Und ja, dies ist ein Totendorf. Sie sind nicht verschwunden. Und wir werden auch nicht weniger.« Sie setzte sich auf das Bett und musterte den Jungen. »Die Salben haben geholfen. Deine Verbrennungen heilen schnell ab.«
    »Ich bin von einer Frau verraten worden«, sagte er ernst. »Sie hat unsere Liebe verleugnet.«
    »So, von einer Frau«, machte Damascha verständnisvoll, als sei es etwas Selbstverständliches, dass ein Dreizehnjähriger von Liebe sprach. »Es sind aber nicht alle Frauen so.«
    »Du glaubst mir nicht«, vermutete Tokaro. »Ich wollte die Tadca heiraten, aber sie hat …« Er schwieg einen Moment. »Nein, vergiss meine Worte. Du würdest mir ohnehin nicht glauben.«
    »Dieses Dorf ist voller Geschichten, Tokaro. Manche sind wahr, andere erlogen«, sagte die Vorsteherin. »Aber wer hierher kommt, dem ist das alles ziemlich gleichgül­tig. Du bist eine

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