Unter Den Augen Tzulans
»Das Eisen für die Diebe.«
Wortlos nahm der Mann das geformte Metallstück in eine Hand und umschloss es mit seinen kräftigen Fingern. Der Konsultant schickte die Livrierten zurück in den Festsaal, die Soldaten auf ihre Posten. Offenbar wollte er keine Zeugen für das Folgende.
Als zerrisse er ein Stück Papier, zerfetzte Nesreca die teure Uniformjacke des Jungen, um das Schulterblatt freizulegen. »Wenn ich bitten dürfte, Hemeròc? Unser Dieb wäre so weit.« Stahlhart schlossen sich die Hände um die Oberarme Tokaros, und selbst wenn er es gewollt hätte, aus diesem Griff würde er nicht fliehen.
Der Gehilfe des hoheitlichen Ratgebers öffnete die Finger und zeigte ein rot glühendes Eisen.
»Wie kann das sein?«, sagte der Junge fassungslos, die Farbe wich aus seinem Gesicht. »Das ist teuflisch!«
»In der Tat«, kommentierte Nesreca belustigt. »Der Junge hat eine gute Auffassungsgabe. Gleich sehen wir, wie groß seine Selbstbeherrschung ist.«
Tokaro spürte die Hitze des Brandeisens lange bevor der feurige Stahl auf seine Haut traf. Der gewaltige, stechende Schmerz ließ ihn aufschreien, der Geruch von Verbranntem stieg ihm in die Nase. Seine Sinne schwanden, und ohnmächtig hing er in den Händen des Konsultanten.
Etwas enttäuscht ließ Nesreca den Jungen auf das Stroh fallen.
»Ich hätte beinahe gedacht, dass in diesem Dieb etwas Besonderes steckt«, grübelte er und sah auf das eingebrannte Wappen der Bardri¢, das der Knabe nun Zeit seines Lebens mit sich tragen und das ihn aus der Gesellschaft ausstoßen würde, sollte es entdeckt werden. Er ging in die Hocke. »Nun, auch ich kann mich täuschen.« Er streckte den Zeigefinger aus und setzte die Spitze des Nagels mitten in das hoheitliche Emblem. »Aber für den Fall, dass wir uns noch einmal begegnen sollten, hinterlasse ich mein Zeichen an dir.«
Der Nagel ritzte ein schwungvolles »I« in die Haut, Blut quoll hervor. Einen Tropfen davon nahm er mit seiner Kuppe auf und kostete es. Genießerisch schloss er die Augen.
»Ich kannte Wesen, die hätten für dieses unschuldige Geschöpf und den reinen Lebenssaft Städte vernichtet«, sagte er leise. Aus Hemeròcs Kehle entstieg ein Knurren. »Nein, du wirst ihn in Ruhe lassen.« Nesreca erhob sich, seine Augen glühten rot auf. »Ich hätte ihn dir gegeben, wenn du deine Aufgaben sorgfältiger erfüllen würdest. Nun geh und suche Paktaï. Wir benötigen sie bald dringend, um Kensustria in die Knie zu zwingen. Ilfaris wird bald Bekanntschaft mit der neuesten Schöpfung unserer Konstrukteure machen, Tersion ist ohne die Unterstützung des Kaiserreichs Angor leichte Beute.
Nur diese vermaledeiten Rákshasas werden eine Menge Schwierigkeiten bereiten. Da brauche ich sie.«
Hemeròc tauchte in die Schatten ein und verschwand.
Nesreca blickte sich suchend nach etwas um, um sich die Hände zu reinigen und wischte sie sich schließlich an der zerrissen Kleidung des Jungen ab.
»Wachen!«, rief er die Soldaten zurück. »Gießt dem Dieb Salzwasser über die Wunden, schafft ihn in eine Zelle, damit er sich ausruhen kann, und werft ihn morgen vor die Stadttore.«
Der Konsultant erklomm gemächlich die Stufen und war in Gedanken bereits beim nächsten Schlag gegen den Staatenbund im Süden. Das Kapitel »Balasy« war für den Augenblick beinahe geschlossen.
Seine Schritte führten ihn Richtung des großen Banketts, die Salven der Büchsen waren als gedämpftes Krachen zu hören.
Er hatte noch anderthalb Jahre, um sein Versprechen gegenüber der Kabcara einzulösen. Das würde knapp, aber immer noch machbar sein. Bildlich sah er die rothaarige Schönheit auf dem Thron vor sich, wie sie die Geschicke Ulldarts lenkte und ihre Macht auf den Nachbarkontinent ausdehnen wollte. Kein Zweifel, sie würde im wahrsten Sinne des Wortes eine gute Figur machen. Aber wer traute schon einer Giftnatter? Seine Augen glitten über die Menge der Gäste, in der er Aljascha ausmachte. Sie lächelte ihm kurz zu, bevor sie den Fächer vor die Lippen hob, um alles Verräterische zu verbergen. Aber er war wohl der beste Schlangenbändiger, den es gab. Zvatochna folgte dem Blick ihrer Mutter, bemerkte den zurückgekehrten Konsultanten, und ihre Mundwinkel hoben sich ebenfalls. Die Tadca war mindestens genauso intrigant wie ihre Mutter. Er war gespannt, wann sie zum ersten Mal versuchte, ihn zu erpressen. Er nahm sich im Vorbeigehen ein Glas Sekt und begab sich nach draußen, an die Seite des Kabcar.
»Ich habe die
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