Unter Den Augen Tzulans
sich rot, tot fiel der Mann auf den Marmorboden, während sich die Räte in einer Ecke des Raumes zusammendrängten. Allein der Obere hatte sich nicht bewegt.
»Es scheint, als würde Eure Amtszeit bereits zu Ende gehen, hoheitlicher Kabcar«, sagte er voll höhnischer Freude. »Man kann den Willen Ulldrael des Gerechten nicht aufhalten.«
Lodrik sah auf die Wunde, aus der Blut und eine andere Flüssigkeit sickerte. Er wirkte merkwürdig gelassen und schloss die Augen zur besseren Konzentration. Da er nur eine Hand zur Verfügung hatte, weil sein getroffener Arm bereits taub wurde, musste er sich beim Gestikulieren sehr anstrengen, doch es gelang ihm. Ein dunkelblaues Leuchten umgab ihn, sammelte sich an der Einstichstelle und pulsierte leicht. Je mehr die Wundränder zusammenwuchsen, desto mehr Gift trat aus der immer kleiner werdenden Öffnung, die die Klinge hinterlassen hatte. Irgendwann erinnerte nur noch die verschmutzte Kleidung daran, dass vor einigen Lidschlägen eine Verletzung zu sehen gewesen war. Tief einatmend öffnete Lodrik die meeresblauen Augen.
»Man kann den Willen Ulldrael des Gerechten vielleicht nicht aufhalten. Euren dagegen schon.«
Groß starrte ihn der Obere an. »Einen besseren Beweis, dass Ihr mit Tzulan im Bunde seid, kann es nicht geben.« Der Kabcar entgegnete nichts, sondern bedeutete den Wachen, die Mitglieder des Geheimen Rates abzuführen. »Ich verlange ein Gottesurteil an Stelle eines Verfahrens«, rief der Mann in der goldenen Robe. »Das ist gerechter als das, was mich von Euch erwartet.« Mortva, der sich die ganze Zeit über bewusst im Hintergrund gehalten hatte, beugte sich zu seinem Schützling. »Hoher Herr, das ist keine gute Idee. Es könnte zu unseren Ungunsten enden. Verlasst Euch lieber auf eine Gerichtsverhandlung. Die Beweise, die wir haben, machen eine sichere Angelegenheit daraus.«
Lodrik überlegte einen Moment. »Gut, Oberer. Ihr sollt Euer Gottesurteil haben. Wenn Ulldrael der Meinung ist, dass Ihr es wert seid, von ihm gerettet zu werden, lasse ich Euch frei, und Ihr könnt gehen, wohin Ihr wollt. Aber den Geheimen Rat muss ich zunächst befragen. Es sei denn, jemand gibt seine Schuld vorab zu und möchte sich an die Seite des Oberen begeben.« Außer dem Mann, der sich gegen die Leibwachen geworfen hatte, bewegte sich keiner des Gremiums. »Das Vertrauen in Ulldrael scheint nicht allzu groß zu sein«, kommentierte der Konsultant, dem die Entscheidung seines Vetters keineswegs in den Kram passte. »Ihr habt ein Gottesurteil gefordert, ich denke mir etwas aus«, erklärte der junge Herrscher. Es war ihm offensichtlich bereits etwas eingefallen. Wortlos setzte er sich in Bewegung.
Der Tross durchquerte Korridore und Hallen, vorbei an blattgoldbesetzten Säulen und Wänden, vorbei an der großen Statue des Gerechten, dessen Ähren aus purem Edelmetall bestanden. Überall standen Mönche staunend umher, die mit erschrockenen Gesichtern die Vorgänge verfolgten. Gegen sie richtete sich der Zorn des Kabcar nicht, auch wenn er sich schon mit der Zukunft des Ordens beschäftigte.
Als Lodrik zusammen mit seinen Gefangenen und den vielen Soldaten vor die großen Portale des Tempels trat, blickte er auf eine erstaunlich große Menschenansammlung.
Es hatte sich in Ulsar offenbar schnell herumgesprochen, dass der Herrscher mit dreihundert Bewaffneten in das Hauptgebäude des Ordens einmarschiert war.
Nun verlangte das Volk anscheinend eine Erklärung für das seltsame Verhalten ihres Kabcar. Das Gemurmel war laut, die Erregung unter den einfachen Menschen schien sehr hoch.
»Ihr hättet auf mich hören sollen, als ich Euch riet, diese Sache in aller Stille vonstatten gehen zu lassen«, raunte sein Konsultant beunruhigt. »Das werden die Ulsarer gar nicht mögen.«
»O doch, lieber Vetter«, widersprach Lodrik leise. »Sie werden es mögen.« Er hob die Arme, und augenblicklich wurde es still auf dem Platz. »Ulsarer, ihr werdet euch fragen, was ich, euer Kabcar, mit Soldaten im Haus Ulldrael des Gerechten gesucht habe. Zu Recht. Der Grund ist ungeheuerlich.« Laut hallte seine Stimme über die Köpfe der Versammelten hinweg. Der junge Herrscher deutete auf den Oberen des Ordens. »Dieser Mann hat seinen Gott verraten und mir damals aus hinterhältigen Gründen in Granburg nach dem Leben getrachtet.« Er reckte den Brief des Oberen in die Luft. »Hier ist der Beweis, das Schreiben an meinen Vater, versehen mit seinen Lügen, die ihn endlich überführen!« Die
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