Unter Den Augen Tzulans
Diese Schwierigkeit haben wir in meinem dritten Königreich natürlich nicht.«
»Aldoreel?«, fragte Mortva. »Nein, dort haben wir keinerlei Probleme. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Rassen, wenn ich das mal so sagen darf, funktioniert reibungslos.«
»Ich werde im Sommer nach Aldoreel reisen und meinem neuen Volk meine Aufwartung machen, König Tarm und seinem Sohn für ihre noble Geste der Abdankung meine höchste Anerkennung aussprechen. Dieser Schritt dürfte seine Wirkung auf die anderen Reiche nicht verfehlt haben.«
»Hat er keineswegs, Hoher Herr«, stimmte der Ratgeber zu. »Aber in erster Linie wird die Entscheidung des Königs angezweifelt. Man sagt, Ihr hättet ihn beeinflusst.«
»Unsinn«, knurrte Lodrik unwirsch. »Ich muss wohl einige Takte mit den Adligen sprechen, wenn ich das Land bereise. Ein paar neue Posten dort, ein paar Münzen hier, und ich habe die Elite auf meiner Seite. Das Volk wird einfach zu beeindrucken sein, wenn ich ähnliche Neuerungen wie in Tarpol eingeführt habe.«
»Neuerungen?« Mortva klang alarmiert.
»Neuerungen«, wiederholte der junge Herrscher freundlich. »Es gibt keinen Grund, meine Worte zu repetieren. Ich weiß, was ich gesagt habe.« Die blauen Augen blitzten spöttisch auf. »Oder seid Ihr, geschätzter Ratgeber, dagegen?« Der Konsultant ersparte sich eine Antwort. »Ich werde mit allen großen Ulldraeltempeln in meinem Territorium so verfahren, wie ich das in Tarpol machen ließ. Diese großen Gebäude sollen allen zu Gute kommen, nicht als Paläste für die dienen, die sich nicht an die von Ulldrael erlassenen Lehren der Bescheidenheit halten. Es ist Schluss mit dem faulen, gemütlichen Dasein. Ich mache den Mönchen Feuer unter ihren fetten Hintern.« Er warf einen schnellen Blick aus dem Fenster. »Ach, wir sind bald da.«
»Die Neuerungen, Hoher Herr?«, drängte Mortva leise, aber bestimmt. »Auf was dürfen sich die Untertanen noch freuen?«
»So neugierig? Oder nur beleidigt, weil ich Euch nicht um Euren Rat gebeten habe, Mortva?« Wieder troff die Bemerkung vor Spott. »Ja, ich denke in letzter Zeit viel nach. Über mich. Über Entscheidungen. Über Euch.« Das Blau seiner Augen richtete sich auf das Gesicht des Konsultanten. »Ihr habt mir viele Entscheidungen in der Vergangenheit abgenommen und mich entlastet, dafür danke ich Euch. Nun ist es so weit, dass ich allein bestimme. Schon andere vor Euch wollten mir ins Wort reden. Bestimmen, was ich zu tun habe. Diese zähle ich nun zu meinen Feinden, Mortva.«
»Ich werde nichts mehr ohne Eure Einwilligung tun«, sagte der Ratgeber unterwürfig. Dabei nutzte er das Verbeugen lediglich, um Wut in seinen Pupillen zu verbergen. »Wenn Ihr Euch zu irgendeinem Zeitpunkt übergangen fühltet, dann …«
Lodrik hob abwehrend die Hand. »Es ist nun gut, Mortva. Ich habe Euch gesagt, auf was Ihr in Zukunft zu achten habt, also reden wir nicht mehr darüber. Ihr seid und bleibt mein Konsultant.« Das letzte Wort betonte er absichtlich. »Euer umfassender Weitblick ist mir wichtig. Aber ich sage, was getan wird.«
Die Kutsche hielt an, der Verschlag wurde geöffnet, und der Kabcar stieg aus.
Nun erst hob Mortva den Kopf, das Gesicht war vor Aufgebrachtheit zu einer Fratze verzogen. Es kostete ihn nur einen Lidschlag, um seine verräterischen Gefühle in den Griff zu bekommen, aber genau dieses kleine Zeichen in seinem Antlitz hätte alle weiterführenden Pläne mit dem jungen Herrscher in Gefahr gebracht.
Er sah dem Kabcar durch die offene Tür nach, wie er im Schutz seiner Leibwachen die breite Freitreppe des Gotteshauses hinaufstieg, während das Volk auf dem Platz jubelte und schrie. Dann musste er lächeln. So leicht entkommst du mir nicht. Hoher Herr. Wir haben mit dir begonnen, und wir werden es höchstwahrscheinlich auch mit dir zu Ende führen. Er stieg ebenfalls aus und machte sich an den Aufstieg.
Lodrik wartete, bis die leere Kutsche abgefahren war, und ließ seinen Blick über die Menschenmenge schweifen.
Als er die Arme nach oben riss, erstarb jegliches Gespräch auf dem Platz, die Blicke der Ulsarer und Tarpoler hingen an seiner Gestalt, von der eine enorme charismatische Ausstrahlung ausging. Nichts und niemand konnte sich diesem jungen Mann entziehen. »Ich habe ein Geschenk für euch!«, rief er und gab ein Zeichen nach hinten.
Zehn Soldaten schleppen eine riesige Kiste heran, deren Inhalt die Männer an die Grenzen ihrer Kraft brachte, wie man am Keuchen und den hochroten
Weitere Kostenlose Bücher