Unter Den Augen Tzulans
von dem geheimen Anbau von Süßknollen auf Stápas Feld.« In gespielter Verzweiflung warf sie die Hände in die Luft. »Aber nein, Mönch Matuc ist unerschütterlich in seinem Glauben.«
»Ja, das ist er«, hielt der Geistliche dagegen, der sich nun zu sehr herausgefordert sah, um weiter zu schweigen. »Ulldrael hat uns gerettet, junges Fräulein. Und da ist es nur rechtens, wenn ich seinen Namen preise.« Betont laut setzte er seine Tasse ab. »Noch tue ich es hinter verschlossenen Türen, aber die Geheimniskrämerei wird irgendwann ein Ende haben.«
Waljakov verfolgte den Disput aufmerksam. »Abgesehen davon, wie finden wir Norina wieder? Und wo ist der Pirat abgeblieben? Wenn die Kalisstri ihn als solchen erkannt haben, wird er vermutlich im Jenseits sein.« Seine mechanische Hand öffnete und schloss sich. »Und die Ausbildung des Jungen, was macht sie?«
»Ich unterrichte ihn seit neuestem in Lesen und Schreiben«, sagte Matuc stolz. »Arnarvaten bringt ihm Kalisstron bei. Er ist ein richtig kluges Kerlchen.«
»Er benutzt seinen Kopf, weil er ein halbes Hemd ist«, lautete die Einschätzung des Hünen. »Das werden wir ändern. Ich werde ihn von nun an miterziehen. Es fehlt ihm die feste Hand. Zwischen Heiligtümern und einem alten Mann und einer jungen Frau zu leben ist nicht der Ort, wo man zu einem Kämpfer wird. Der Umgang mit den Waffen hat noch ein wenig Zeit.« Waljakov überlegte kurz. »Aber sein Körperbau ist mir zu kraftlos, wenn er einmal ein Schwert führen soll.«
»Nein.« Augenblicklich erntete er den Widerspruch des Geistlichen. »Er soll erst gar nicht mit dem Töten in Berührung kommen. Der Umgang mit dem Tod verdirbt einen Menschen.«
»Aha«, sagte der Leibwächter. »Ich bin also ein verdorbener Mensch.«
Der Mönch hob abwehrend die Hände. »Nein, so habe ich es doch nicht gemeint.«
Der K’Tar Tur lehnte sich vor. »Matuc, wir kennen die Prophezeiung. Dieser Junge wird vielleicht eines Tages eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Bekämpfung der Dunklen Zeit geht. Und ich will nicht, dass er versagt, nur weil er nicht mit einer Waffe umgehen kann oder seine Reaktionen zu langsam sind. Wenn ich ihn nun schule, wird er zu einem der besten Kämpfer, den Kalisstron und Ulldart jemals gesehen haben.«
»Und wenn er so wird wie sein Vater? Wenn wir ein noch mächtigeres Ungeheuer heranziehen, wie es sein Vater ist?« Der Mönch wirkte ein wenig mutlos. »Ich würde am liebsten hier bleiben, auf Kalisstron, das Wort Ulldraels verkünden und in Frieden leben.«
»Feigling«, kam es hart aus dem Mund des Leibwächters. »Wir tragen Verantwortung für das Schicksal Ulldarts. Wir haben der Dunklen Zeit aus Unwissenheit wahrscheinlich den Weg geebnet, wir werden zusammen mit dem Jungen dafür sorgen, dass sie verschwindet. Ich habe von den Händlern gehört, dass Borasgotan und halb Hustraban komplett in der Hand des Kabcar sind. Rundopâl trat freiwillig dem Großreich Tarpol bei, und er hat es sogar geschafft, die Ontarianer aus seinem Land zu werfen. Was denkst du, wie lange es dauert, bis er sich auch noch den Rest aneignet?« Er fixierte Matuc. »Und was denkst du, was er mit dem traditionellen Glauben machen wird? Während du hier Ulldrael vergebens predigst, hat sich Lodrik zum Oberen ausgerufen. Du solltest dort sein, wo du gebraucht wirst, nicht, wo du überflüssig bist.«
»Und wie lange soll deine Ausbildung dauern?«, gab der Geistliche zurück. »Wie lange willst du ihn vorbereiten? Und was machen wir mit den magischen Fertigkeiten, die er besitzt? Er hat als Neugeborener beinahe einen Menschen umgebracht, immer spielt er mit dieser … Kraft, dieser Magie herum, die keiner erklären kann. Es wird ihn niemand darin unterrichten können, und wie soll er damit gegen Nesreca und seine Helfer bestehen?« Matuc legte die Hände in den Schoß. »Wir sollten vielleicht besser hier bleiben.«
Waljakovs Wangenmuskulatur arbeitete. »Ich werde nicht zulassen, dass wir tatenlos auf diesem Stück Erde sitzen, während in unserer Heimat alles vor die Hunde geht. Bete du meinetwegen zu Ulldrael. Wenn er uns hilft, schön. Wenn er nichts tut, ist es mir auch gleich. Aber weder er noch seine Gläubigen werden mir im Weg stehen.«
Nach dem Donnerwetter des Leibwächters senkte sich eine bedrückende Stille auf das Zimmer herab.
Fatja atmete laut aus. »Wir sollten froh sein, dass wir drei uns wenigstens gefunden haben, und nicht streiten«, versuchte sie zu schlichten.
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