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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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mit der Lufthansamaschine aus Hamburg an, und dann warten Sie bitte ab Mitternacht auf die Millers vor dem Resi .«
    Sven Hedin wurde von der Fahrbereitschaft der Reichskanzlei abgeholt. Zwei Kradfahrer der Leibstandarte Adolf Hitler eskortierten den Wagen vom Flughafen bis zum Adlon . Augenblicklich umringte ihn ein Schwarm Journalisten. Vor seiner Ankunft hatte der Staatssekretär im Reichspropagandaministerium, Walter Funk, noch persönlich die Willkommenspräsente von Hitler, Göring und Goebbels bei Louis Adlon abgegeben. Am 4. August hielt der Asienforscher im Olympiastadion eine Ansprache zum Thema Sport als Erzieher .
    Emil Klempert und Hedda Adlon hatten Hedin ins Stadion begleitet.
    »Und was hat er so von sich gegeben?« hatte Karl gefragt, als Emil wieder im Hotel war.
    »Er hat auf der Antike rumgedroschen. Hab das meiste nicht so recht verstanden. Nur so viel, daß schon die alten griechischen Poeten anscheinend ihre jungen Kämpfer angefeuert haben, stets mit heroischen Taten die Welt zu erobern.«
    »Na das muß zumindest den Herren Obermenschen auf der Ehrentribüne ja runtergegangen sein wie Öl.«
    Klempert sagte resigniert: »Weißte, Karl, ich hatte nicht den Eindruck, als ob die Volksgemeinschaft auf den Holzbänken anderer Meinung war als ihre Leithammel. Da ist kein einziger Arm unten geblieben, als Hitler seine Loge betreten hat.«
    »Und deiner?«
    »Sehr, sehr witzig, Karl! – Ich stand zwischen Randhubers SS-Begleitern!«
    Selbstverständlich residierte Direktor Holtsen ebenfalls wieder im Haus, und auch Baron de Neva war noch vor der Eröffnungsveranstaltung angereist.
    Karl hatte in einer Kammer hinter dem Büro des Kellermeisters Quartier bezogen, denn er und Lilo arbeiteten jetzt rund um die Uhr. Im Billardzimmer wurde ein großer Rundfunkempfänger aufgestellt. Ein Stenofräulein aus der Buchhaltung notierte alle Wettkampfergebnisse und gab sie an die Rezeption weiter. Karl, und wer von der Belegschaft dazu Gelegenheit hatte, schaute gelegentlich im Billardzimmer vorbei und hörte sich die Direktübertragungen aus dem Olympiastadion an.
    »Wieder Gold!« Oskar Obier rieb sich die Hände. »Damit hat keiner gerechnet. Nach vier Durchgängen bloß auf Platz vier, und dann wirft der Kerl beim vorletzten Versuch den Speer fast 72 Meter weit.«
    »Stöck?«
    »Stöck!«
    »Hat der nicht Bronze im Kugelstoßen gemacht?«
    »Ja, gleich am zweiten Tag.«
    Die Stenotypistin tippte Stöcks Daten vom Block ab. Sie drehte das Blatt aus der Schreibmaschine. »So, fertig! Das sind die Ergebnisse der letzten zwei Stunden. – Gehen Sie nach vorne, Herr Meunier?«
    »Ja, geben Sie den Zettel her.«
    Im Lesesaal kam ihm Louis Adlon aufgeregt entgegen. »Ich suche Sie überall, Meunier. Haben Sie schon gehört?« Er trat dicht vor Karl und rieb sich die Hände. »Das ist seit Monaten die beste Nachricht für das Adlon !«
    Karl fuhr sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken und sagte irritiert: »Die Goldmedaille für Herrn Stöck muß ja eine echte Sensation sein, wenn selbst Sie, Herr Generaldirektor …« Ihm war bekannt, daß der Chef sich für Dressurreiten interessierte – aber Speerwerfen? Was hatte Stöcks Sieg mit dem Adlon zu tun?
    »Goldmedaille? Quatsch, davon rede ich nicht. – Ah, jetzt begreife ich! Sie haben Klempert noch nicht gesprochen! Der weiß es nämlich bereits.« Louis Adlon strahlte über das ganze Gesicht. »Kassner verläßt uns!«
    Karl mußte den Anblick eines Debilen abgegeben haben, denn Louis Adlon sagte lachend: »Nun machen Sie mal schön den Mund wieder zu, sonst denkt man, Sie sind aus Wittenau getürmt.«
    »Pardon, Herr Generaldirektor. Aber das ist ja, das ist ja …!«
    »Sehn Sie! Genauso muß ich gestammelt haben, als Kassner mir vorhin mitgeteilt hat, daß er am 1. Oktober im Kaiserhof anfangen wird. Und ob ich ihn nicht vielleicht schon vorzeitig entbehren könnte! «
    »Das ist ja ein Geschenk des Himmels!«
    »Das habe ich auch gedacht«, sagte Louis Adlon. Augenzwinkernd fügte er hinzu: »Er hat mich überreden können, ihn bereits kommende Woche gehen zu lassen. – War das nicht sehr kulant von mir?«

21.
    T EGELER F LUSSKREBSE IN G EMÜSESUD
    Kassner nicht mehr auf Schritt und Tritt im Adlon zu begegnen, war nicht bloß für Karl eine Erleichterung. Nach seinem Weggehen kehrte eine gewisse Ruhe im Hause ein. Sie veranstalteten weiterhin einmal im Monat ihre Parteizellenabende im Kuriersaal, die erklärten Nationalsozialisten unter der

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