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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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ihre Bombenangriffe eingestellt, um die russischen Kampftruppen, die Meter für Meter auf das Stadtzentrum vorrückten, nicht zu gefährden. Gezielte Abwürfe auf die letzten Trutzburgen des Dritten Reichs im Regierungsviertel gelangen auch nicht mehr: Der Himmel über Berlin war eine einzige Rauchwolke.
    Als Vera mit einem Verwundetentransport eintraf, bestand die »Festung Berlin« nur noch aus einem schmalen Areal, das von der Havel bis zur Spree reichte. Die Charité hatte einen Teil ihrer Schwerverletzten im Adlon -Bunker untergebracht. Jeder verfügbare Keller- oder Büroraum des Souterrains wurde zu einem Krankenzimmer für sogenannte leichtere Fälle umfunktioniert. Leichtere Fälle waren zum Beispiel amputierte Finger und glatte Durchschüsse durch Arm oder Bein. Im Friseursalon operierten die Ärzte pausenlos. Medikamente gab es kaum mehr. Karl ließ die Leichen in den Goethe-Garten schaffen.
    Artilleriegeschosse schlugen auf dem Pariser Platz ein. Die Quadriga war von einem Tiefflieger durchlöchert worden. Die Innenstadt war ein endloser qualmender Trümmerhaufen, die Wilhelmstraße eine Steinwüste. Es grenzte an ein Wunder: Das Adlon stand. Karl und Emil Klempert machten einen Rundgang durch das ganze Haus. Nicht eine Fensterscheibe war zerbrochen!
    Zwei Granaten entfachten einen Brand im Dachstuhl, der aber schnell gelöscht werden konnte.
    Ein Hitlerjunge verteilte gerade den Panzerbär , Goebbels letzte Lügenpostille mit markigen Durchhalteparolen, als ein Kradmelder in die Halle stürmte. »Die Russen sind mit Stalinorgeln am Alex!«
    Bis auf Burmeisters Leute und den Adlon -Volkssturm zogen die Bewaffneten ab. Die SS-Trupps marschierten zum Führerbunker und Reichstag, die Wlassow-Soldaten nach Moabit. Das Gemisch aus Marine, französischen Freiwilligen, schlesischen Partisaninnen und fanatischen Hitlerjungen wurde in Richtung Alexanderplatz in Marsch gesetzt. Die Hitlerjungen sangen, als sie sich vor dem Adlon formierten. Der Panzerbär -Verteiler war unter ihnen.
    »Wie Schlachtvieh«, sagte Klempert. »Wo ist Kassner eigentlich?«
    Karl schickte Richard in Louis Adlons Büro. Kassner und Stanner waren verschwunden.
    »Wir müssen das Zeug jetzt oder nie loswerden, Karl!«
    Sie verscharrten die Waffen unter den Leichen im Goethe-Garten.
    Karl behielt seine Maschinenpistole. »Für alle Fälle, Emil! Die fliegenden Feldgerichte fackeln nicht lange, wenn sie meinen, jemand wäre desertiert. Ich habe keine Lust, an einem Laternenpfahl zu enden.«
    Klempert nickte. »Hast recht!« Er grub seine Pistole wieder aus. »Wenn was sein sollte, sie klemmt hinter dem großen Blumenständer im Wintergarten.«
    »Ich verstecke die MP in Obiers Büro. Sie liegt unter den Matratzen von den Franzosen.«
    Klempert nickte. Er hatte am Morgen mit Karl und zwei Sanitätern die Leichen der beiden französischen Waffen-SS-Soldaten in den Goethe-Garten getragen.
    Karl schulterte die MP. »Und jetzt sag den Männern, wer will, kann sich verdrücken.«
    Die Adlon -Volkssturmeinheit löste sich stillschweigend auf.
    Burmeister schien es egal zu sein. Er war mit einem tragbaren Funkgerät in der Prominentensuite zugange, schien auf irgendeinen Befehl zu warten. Seine Männer bewachten weiterhin die Stahltür in der Fassadenmauer, den Eingang zum Weinkeller und die Treppe zur untersten Bunkeretage.
    Karl schloß die Bürotür hinter sich ab und schob die Maschinenpistole unter die blutdurchtränkten Matratzen der Franzosen. Dann löschte er das Licht und öffnete die Durchreiche einen Spaltbreit. Auch im Weinkeller funktionierte die Stromversorgung noch.
    Was er sah, war so absurd, daß er seinen Augen nicht zu trauen glaubte: Kassner, Stanner, die Rothaarige und zwei Wlassow-Soldaten saßen vor der geöffneten Schutzraumtür auf Sherryfässern im Kreis um eine Baulampe – und nähten !
    Karl fand Vera in der Bar, wo sie einem Oberleutnant mit Bauchschuß eine Morphiumspritze gab. Offiziere durften in der Adlon -Bar sterben. Er berichtete ihr von dem Nähkreis im Weinkeller.
    Vera sagte müde: »In der Charité haben wir zwischen den Toten Mensch-ärger-dich-nicht gespielt.«
    Karl sah sie an.
    »Das ist normal, Karl. Irgendwann wird man einfach verrückt. Die einen nähen, die anderen springen aus dem Fenster.«
    Der Sterbende stöhnte.
    Vera gab ihm eine weitere Injektion. »Das war meine letzte Ampulle.«
    »Sie sahen mir gar nicht wie Leute aus, die verrückt geworden sind«, sagte Karl. »Sie planen etwas.«
    »Ich

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