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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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unnötig war, denn der Finne kämpfte wieder einmal mit der Gangschaltung. Pleschke, der Doorman, stand am Straßenrand und winkte. Ein Taxi von der Halte Pariser Platz setzte sich in Bewegung. Hinter Pleschke erschien Per Wilhelm Holtsen mit seinem Diener.
    »Der Dicke und der Kleine da, skandinavische Landsleute von Ihnen«, sagte Karl und tippte an die Scheibe. »Aus Göteborg.«
    »Bah, Schweden!« Der Taxifahrer verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Alle Schweden, die ich kenne, und wir in Finnland können ein Lied davon singen, alle Schweden sind imperialistische Krämer oder imperialistische Kolonisatoren oder eine ungute Mischung aus beidem.«
    »Der Dicke ist Bankier.«
    »Was habe ich Ihnen gesagt? Krämer sind sie alle!«
    Der Wagen überquerte die Einmündung der Wilhelmstraße.
    Das Café Kranzler strahlte bereits aus der Ferne gegen den Nieselregen und die Dunkelheit an. Professor Blum saß wie immer an einem Ecktisch mit Blick auf die Linden. Hajo war noch nicht da. Karl spürte sofort, daß etwas vorgefallen sein mußte. Blum starrte auf das weiße Tischtuch und bemerkte ihn erst, als er seinen Stuhl rückte.
    »Guten Abend, Herr Professor!«
    »Guten Abend, Karl.« Blum verdrehte seine Stoffserviette, als gelte es, sie zu zerreißen. Seine Fingerknöchel schimmerten kalkweiß. »Und möge der Abend angenehmer verlaufen als mein Nachmittag in der Universität.«
    Karl winkte der Bedienung. »Was ist passiert?«
    Die Serviererin trat an den Tisch. »Guten Abend! Der Herr wünschen?«
    »Bestellen Sie erst«, befahl Blum.
    Karl entschied sich für eine heiße Schokolade.
    »Mir noch einen Cognac, Fräulein.« Blum warf die Serviette auf den Teller vor sich. Langsam kehrte die Farbe in seine Hände zurück. »Mir sind heute nach einer Seminarveranstaltung von einer Studentengruppe Ungeheuerlichkeiten geboten worden, wie ich sie in meiner gesamten akademischen Laufbahn noch nie erlebt habe.« Blum schlug mit der Faust auf den Tisch. Eine ältere Dame am Nachbartisch schaute betreten weg. Professor Blum hatte seine Stimme kaum unter Kontrolle. »Drei Affen in kackbraunen Hemden sind in mein Büro getrampelt und haben versucht, mich aus meinem Zimmer zu schmeißen.«
    »Wie …«, fragte Karl. »SA-Leute?«
    »Nein, Nationalsozialistischer Studentenbund. – Aber das macht wohl kaum einen Unterschied aus. Sie haben mich angeschrien, ich solle meine Koffer packen, jüdische Schmarotzer wären an einer deutschen Hochschule fehl am Platz. Ich habe zurückgebrüllt – Sie wissen, Karl, daß ich das kann – und gesagt, sie mögen sich auf der Stelle verdünnisieren, sonst würde ich die Polizei holen. Daraufhin haben sie bloß gelacht und angefangen, meine Bücher aus den Regalen zu räumen und auf den Boden zu werfen. Da habe ich dann rot gesehen und bin zur Tat geschritten.« Blum atmete tief durch und preßte die Lippen aufeinander. »Eine Rippe schmerzt immer noch, aber ich glaube, es ist nur eine Prellung.«
    »Sie haben die Polizei geholt?«
    Blums Augen versprühten Feuer. »Später – ja. Aber erst habe ich die Burschen kartouschiert. Goethe, zwölf Bände. Als mir die Munition ausgegangen ist, habe ich sie mit einer Schreibtischschublade aus dem Zimmer geprügelt. Dabei bin ich im Eifer des Gefechts gegen eine Regalkante gestolpert. Deshalb auch die Rippenprellung.«
    »Hat Sie denn niemand gehört und ist Ihnen zu Hilfe gekommen?«
    »Das ist es doch, was mich so maßlos aufregt. Als die Kerle zurück auf den Flur sind, ich ihnen nach, sah ich, daß sich vor der Tür eine Menschentraube angesammelt hatte. Ja glauben Sie, irgendeiner von denen hat auch nur die geringsten Anstalten unternommen, mir zu helfen? Blöde geglotzt haben sie. Zum Glück hat der Hausmeister mitbekommen, daß etwas im Busch war. Er hat die Polizei alarmiert. Aber als die schließlich geruhte einzutrudeln, waren die Braunen natürlich längst über alle Berge. Aber das Beste kommt noch, Karl! Als ich die Burschen anzeigen wollte, murmelte einer der Schupos was von einem Dummejungenstreich, und ich solle doch von einer Anzeige absehen. Da bin ich dann völlig explodiert. Soweit ist es in unserem Land gekommen!«
    Karl erzählte Blum von dem Erlebnis des Finnen mit den Nazistudenten. Der Professor schlug erneut die Faust auf den Tisch. Die Frau vom Nebentisch winkte verängstigt nach der Bedienung, zahlte und ging.
    »Das hat System«, sagte Blum. »Sie werden sich an meine Worte erinnern!«
    »Man muß

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