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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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immer nur hm , sondern ja.«
    »Na gut«, sagte Vera. »Freitag. Ausnahmsweise. Rennen Sie schon!«
    »Äh, danke«, murmelte Karl und eilte zum Umkleideraum.

13.
    Z WEI F INNENMESSER UND EIN B AND G OETHE GEGEN DEN BRAUNEN P ÖBEL
    Karl lief zur Potsdamer Straße vor und drückte sich den Hut in die Stirn. Die Schneegestöber mit den pappigen großen Flocken der letzten Tage waren in feinen Nieselregen übergegangen. Ecke Kleistpark standen drei Droschken an der Halte. Karl setzte sich neben den Fahrer des vordersten Wagens. »Bitte zum Café Kranzler .«
    »Sie schon wieder!« Der Taxichauffeur klappte sein Buch zu, nicht ohne zuvor ein Lesezeichen einzulegen.
    »Was ist es denn heute?«
    »Der neue von Fallada. Kann man in der heutigen Zeit fast wie ein Sachbuch lesen.« Er gab Karl das Buch. Der fragte: »Darf ich?«, entfernte den Schutzumschlag aus Zeitungspapier und räusperte sich, als er den Titel sah. »Wohl wahr! Dem kleinen Mann geht es im Moment dreckiger als je zuvor.« Karl schlug das Buch wieder ein und klopfte auf das Handschuhfach. »Da hinein?«
    Der Fahrer nickte. »Und? Haben Sie die Stelle gekriegt?«
    »Meine Karriere als Straßenräuber ist aufgeschoben.«
    »Gratuliere.« Der Wagen setzte sich fauchend in Bewegung.
    »Der macht es nicht mehr lange«, sagte Karl. »Klingt, als ob der Motor uns gleich um die Ohren fliegt.«
    »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand«, sagte der Fahrer. »Wenn die Karre ihren Geist aufgibt, bin ich nämlich meine Arbeit los. Mein Chef hat keine Puseratze mehr übrig für eine teure Reparatur. Steht kurz vor der Pleite.«
    Auf der Potsdamer Brücke setzte der Fahrer den linken Winker und ordnete sich geradeaus in die Viktoriastraße ein. Der Wagen klapperte beim Herunterschalten in den ersten Gang, als würde er sich in seine Einzelteile zerlegen.
    »Nanu?« fragte Karl. »Wie fahren Sie denn?«
    »Wir müssen eine Biege über die Siegesallee fahren, wenn Sie heute noch ins Café Kranzler wollen. Auf dem Leipziger Platz ist eine Großkundgebung der NSDAP, da ist alles weiträumig abgesperrt. Potsdamer Platz ist auch bis Mitternacht dicht. Da sind die Sozialisten aufmarschiert.«
    Karl seufzte. »Machen Sie um Gottes willen jeden Umweg, den Sie für nötig erachten. Ich bin letzte Woche mit einem Gast aus dem Adlon zum Flugplatz gefahren. Wir sind in einen Umzug der Kommunisten in Kreuzberg geraten. Der Mann hat prompt seine Maschine verpaßt.« Das Taxi beschleunigte zögerlich und lärmend. Karl holte sein Zigarettenetui hervor und bot dem Fahrer eine Muratti an. Das Taxi bog in die Charlottenburger Chaussee ein. »Und was macht das Germanisieren und Philosophieren?«
    »Nein danke, bin Nichtraucher.« Der Fahrer zerrte an der Gangschaltung. »Mein Studium, meinen Sie? – Tja, als erkennbarer Nichtgermane rassele ich mehr und mehr mit den oberarischen Kommilitonen zusammen, weil sie mich für einen Zigeuner oder ähnliches halten.«
    Das Taxi heulte auf und gewann an Fahrt. Längs der Straße marschierte ein Zug Polizisten mit umgehängtem Karabiner in Richtung auf das Brandenburger Tor.
    Karl betrachtete das Profil des schmächtigen Finnen. Mit seinem dunklen Teint und dem Schnurrbart hatte er durchaus etwas Südländisches.
    »Sie scheinen das gleiche zu denken«, sagte er, als er Karls Blicke spürte.
    »Ich habe lange im Ausland gelebt. Für mich sind die Menschen voreinander gleich.« Karl grinste den Droschkenkutscher an. »Wie die Verkörperung Wotans oder Odins wirken Sie ja tatsächlich nicht. Aber meinetwegen könnten Sie zusätzlich auch noch Schlitzaugen, Judennase und schwarze Haut haben, mir wäre es einerlei.«
    »Einigen vom Nationalsozialistischen Studentenbund ganz und gar nicht.« Der Finne zog sein rechtes Hosenbein hoch. »Sie wollten mich eine Treppe hinunterwerfen. Die von mir vorgebrachten Gegenargumente haben sie überzeugt, darauf besser zu verzichten.« Aus dem Strumpf ragten die schlanken Hirschhorngriffe zweier Finnenmesser. Der Taxifahrer streichelte sie zärtlich. »Sie haben mich seitdem in Ruhe gelassen.«
    »Hoffen wir, daß nach den Wahlen …«, sagte Karl.
    »Hoffen wir«, sagte der Taxifahrer.
    Das Brandenburger Tor war von Schupos besetzt, die alle Lastwagen in Richtung Unter den Linden kontrollierten. Karls Taxi wurde durchgewinkt.
    »Sieht nach einer heißen Nacht aus«, sagte der Finne.
    »Könnte sein«, sagte Karl und schaute nach rechts. Er bat seinen Fahrer, das Adlon langsam zu passieren, eine Aufforderung, die

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