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Unter den Linden Nummer Eins

Unter den Linden Nummer Eins

Titel: Unter den Linden Nummer Eins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Herren, habe die Ehre, Ihnen die berühmte Akrobatin und Artistin – ›Bitte Tusch!‹ – Vera Vendura anzukündigen – ›Kapelle, bitte noch einen Tusch!‹ – die Frau mit dem einen blauen Auge! «
    »Quatsch, Frollein, det wird nich blau – und wennschon. Mir isset ’ne Zier.«
    »Sie müssen wissen, für meinen Freund gilt: Je abschreckender er wirkt, desto einfacher hat er es bei der Arbeit.« Karl setzte sich auf den freien Stuhl neben Vera und brachte seine Trainingsjacke in Ordnung, die ihm Benno aus dem Gürtel gezerrt hatte.
    »Sieh an!« sagte Vera zu Benno. »Sind Sie vielleicht bei der SA? Obwohl man dann natürlich kaum von Arbeit sprechen könnte, eher Herumrandalieren.«
    Karl spitzte die Ohren. Fräulein Vendura war mit Sicherheit keine Freundin des Anstreichers und seiner Horden.
    Benno sagte mit Nachdruck: »Nee, nee, keene Angst, Frollein, bei den braunen Brüdern bin ick nich. Türsteher im Oriental inner Meinekestraße bin ick.«
    »Er sorgt dafür, daß die Gäste dort nicht belästigt werden. Auch nicht von SA-Rabauken.« Karl hatte seine Trainingsjacke wieder notdürftig in den Gürtel gesteckt und ging auf die Matte zurück. »Ein bißchen wollen wir noch üben.« Er deutete zur Wanduhr. Noch zehn Minuten bis zur vollen Stunde.
    »Der Hüftwurf eben«, sagte Vera, »der sah so leicht aus, so mühelos. Das würde mich interessieren, wie das geht.«
    »Det bringt Ihnen Karlchen nacher Stunde bei«, sagte Benno. »Aber erst muß ick ma bei ihn für den Ellenbojen rächn.«
    Karl und Benno verkeilten sich augenblicklich ineinander.
    Erich Rahn kam Vera begrüßen. »Na, spionieren, was wir hier so an Akrobatik treiben?«
    Karl und Benno wälzten sich geräuschvoll im Bodenkampf über die Matte.
    »Ein paar Techniken sehen richtig elegant aus, aber beileibe nicht alle.«
    Karl versuchte, Benno mit dessen Jackenkragen zu würgen. Benno revanchierte sich, klatsch, klatsch, klatsch, mit einer Serie von kurzen Haken gegen Karls angespannte Bauchmuskeln. Karl knurrte wütend. Vera fragte erschrocken: »Die tun sich doch nicht ernsthaft weh?«
    Erich Rahn grinste. »Ih bewahre! Die kennen sich schon länger. Sind die dicksten Kumpel.«
    »Na, ich wäre mir da nicht so sicher, Herr Rahn. Sehen Sie bloß!«
    Beide Kämpfer standen jetzt. Benno hatte Karl mit beiden Armen um die Hüfte gefaßt und ihn sich mit einem martialischen Kampfschrei bäuchlings auf die Schulter gehoben. Karls Oberkörper hing mit dem Kopf nach unten zur Matte.
    »Passen Sie mal auf, was jetzt kommt«, sagte Erich Rahn. »Das ist Bennos Spezialtechnik.«
    Benno warf mit aller Kraft Karls Beine über die Schulter.
    Karl machte einen halben Rückwärtssalto und landete flach und laut mit den Armen abschlagend auf der Matte. Grinsend stand er auf. »Mist, fall doch jedesmal wieder drauf rein!«
    »Sehen Sie, Fräulein, er lebt noch.« Erich Rahn ging zu Benno. »Wenn du ihn nächstes Mal so wirfst, greif ihn dir etwas tiefer.« Erich Rahn demonstrierte an Benno, balancierte ihn auf der Schulter. »Nicht die Hüfte, greif dir besser die Oberschenkel.«
    »Ick versuch’s«, brummte Benno hängenden Kopfes.
    Erich Rahn schleuderte Bennos Beine in die Luft.
    Gleich nach Schluß der Trainingsstunde kamen Veras Artistenkolleginnen und gaben auf dem Weg in die Damenumkleidekabine lästerliche Kommentare ab, als Vera forsch diverse Herren über die Hüfte hievte. Vera, Karl und Benno gerieten ins Plaudern, und fast hätte Karl vergessen, daß er auch noch mit Professor Blum und Hajo im Café Kranzler verabredet war, bevor er sich um Kassner kümmern würde.
    »Ich bitte vielmals um Verzeihung, aber«, er rang die Hände und deutete äußerst zerknirscht auf die Wanduhr, »aber ich glaube, ich hätte beinahe einen wichtigen Termin verschwitzt. Ich werde Sie jetzt leider der Obhut meines Freundes Benno überlassen müssen und mich eiligst empfehlen.«
    »Wat heißt hier leida! Jeh nur, Karlchen, ick vertret dir mehr als würdich.«
    »Jetzt, wo’s interessant wird, wollen Sie kneifen, Herr Karl«, sagte Vera.
    »Nein, großes Ehrenwort. Ich muß auf der Stelle los. Aber nächsten Dienstag nehme ich mir nach dem Training nichts vor.«
    »Trau, schau, wem!« sagte Vera.
    »Mir, Fräulein Vera«, sagte Karl.
    »Hm … – Dienstag ist schlecht.«
    »Sagen Sie, wann es Ihnen besser paßt. Ich warte im Leuchtturm , bis Sie mit Ihren Proben fertig sind, und hole Sie dann hier ab. So gegen halb neun?«
    »Hm …«
    »Sagen Sie bitte nicht

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