Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
liebte, dass rasante Fahrten im Automobil ihren Kopf frei fegten und sie ein wunderbares Gefühl der Freiheit verspüren ließen. Immerhin wusste er von ihrer heimlichen Spritztour im nagelneuen Citroën B 12 ihrer Eltern, einem Gefährt, das es mit seiner windschnittigen Torpedo-Karosserie auf über 75 Stundenkilometer brachte. Und die war Ana Carolina gefahren, wenn auch nur auf einem sehr kurzen Abschnitt, der kaum Kurven aufwies. Es war wunderbar gewesen! Sie hätte ihrem Bruder Pedro auf Knien dafür danken können, dass er ihr ein paar Fahrstunden gegeben und ihr dieses kleine Abenteuer erlaubt hatte. Natürlich waren ihre Eltern weniger begeistert von dieser Eskapade, als sie davon erfahren hatten, so dass Ana Carolina fortan zu einem Dasein als Beifahrerin verdammt war.
    »Ach bitte, Henrique, zeig mir doch mal, was in der Blechkiste steckt. Nachher kommt die schöne gerade Strecke auf der Rua das Laranjeiras, auf der um diese Uhrzeit nicht viel los sein dürfte. Da könntest du doch mal ein wenig Gas geben, oder?«
    Henrique warf Ana Carolina einen kurzen skeptischen Blick zu, bevor er wieder nach vorn sah. Er war ein überaus vernünftiger Fahrer. Allerdings war er auch sehr verliebt, und die Schmollschnute seiner Verlobten hatte ihn schon immer zu unvernünftigen Handlungen verleitet.
    »Na schön, ich werde mal sehen, was sich machen lässt.«
    »Danke,
querido.
« Am liebsten hätte Ana Carolina ihn nun auch noch gefragt, ob er sie nicht mal ans Steuer lassen könne. Aber das sparte sie sich für die Rückfahrt auf. Wenn sie zu fordernd wurde, verschloss Henrique sich ihren Anliegen. Dosierte sie ihre Wünsche jedoch sparsam, konnte ihr zukünftiger Gemahl ihr kaum je einen abschlagen. Es würde eine harmonische Ehe werden, dachte Ana Carolina. Sie würde tun und lassen können, was sie wollte, wenn sie Henrique erst ein wenig bearbeitet hatte. Und das war alles, was sie sich von einer Ehe erhoffte.
    Wer brauchte schon
Liebe
und
Leidenschaft?
Die Ehe ihrer Eltern hatte Ana Carolina nur allzu deutlich vor Augen geführt, wozu heftige Gefühle führten: zu garstigen Wortgefechten – oder zu tödlichem Schweigen. Nichts von beidem erschien ihr erstrebenswert. Da hatte sie doch lieber einen Mann an ihrer Seite, der dank seiner friedfertigen Art fast schon ein Garant für ein harmonisches Zusammensein war. Die Vorstellung gefiel ihr. Einen Moment lang gab sie sich ihren Zukunftsvisionen hin. Sie, Henrique und ihre wohlgeratenen Kinder, wie sie in schönster Eintracht am Esstisch versammelt waren und gepflegte Konversation machten; sie am Steuer eines luxuriösen Cabriolets, mit dem sie selbstbewusst in die Avenida Rio Branco fuhr, um Einkäufe zu erledigen; Henrique, der nach einem ereignisreichen Arbeitstag nach Hause kam und alle seine Erlebnisse mit ihr teilte; sie, die ihm verständnisvoll lächelnd lauschte und ihm diplomatisch Ratschläge erteilte; sie und Henrique, wie sie herrliche Ausflüge an die südlich gelegenen Badestrände machten und von den Flaneuren und Müßiggängern in Copacabana bewundert wurden:
Was für ein schönes Paar …
    Bald, bald schon wäre es so weit!
    »Was hat dieses hübsche versonnene Lächeln auf deinen Lippen zu bedeuten, Liebste?«
    Ana Carolina war entgangen, dass Henrique sie beobachtet hatte. Nun, sehr lange hatte er seinen Blick sicher nicht auf ihr verweilen lassen, denn der unerwartet dichte Verkehr verlangte seine Aufmerksamkeit.
    »Ich habe mir vorgestellt, wie unser Leben sein wird, wenn wir erst verheiratet sind.«
    »Schön, nicht?«
    »Ja, ich stelle es mir wunderbar vor.«
    »Ach
querida,
ich wusste vom ersten Moment an, dass du die Richtige bist. Wir sind füreinander bestimmt.«
    »Hm, ja«, brummelte Ana Carolina und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob Henrique wirklich an all die Dinge glaubte, die er manchmal von sich gab – die große Liebe und schicksalhafte Begegnungen. Wahrscheinlich schon. Aus den Augenwinkeln betrachtete sie ihren Verlobten, dem man seine romantische Ader gar nicht ansah. Ana Carolina wusste, dass viele Frauen sie um diesen attraktiven Mann beneideten. Henrique sah aus wie ein schneidiger europäischer Offizier mit seinem gescheitelten und glatt nach hinten pomadisierten dunkelblonden Haar und seinen aristokratischen Zügen. Im Profil ähnelte er sogar Rodolfo Valentino, abgesehen von dem feinen Oberlippenbart, den Henrique sich neuerdings stehen ließ. Er galt als glänzende Partie, allerdings nicht allein wegen seines

Weitere Kostenlose Bücher