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Unter den Sternen von Rio

Unter den Sternen von Rio

Titel: Unter den Sternen von Rio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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bitte auch die anderen Dienstboten bedenken. Das, so dachte Ana Carolina, wäre eigentlich ihre eigene Aufgabe gewesen. Mariazinha würde sich die besten Sachen schnappen und die anderen mit ein paar abgetragenen Leibchen abspeisen. Aber im Augenblick war es ihr egal. Außerdem würde sich später sicher eine Gelegenheit finden, etwa beim Ausrangieren von Toilettenartikeln, bei der sie den anderen den Vortritt lassen konnte.
    »Was für einen erfrischenden Anblick du heute bietest!«, rief ihr Vater, als er sie in der Tür seines Schreibzimmers erblickte. Er legte die Zeitung beiseite, schob seine Lesebrille auf den Kopf und drehte sich auf seinem Kontorstuhl zu ihr hin. Er gab einen kleinen Pfiff von sich, wie er sonst nur von Arbeitern zu hören war und der bei einem Don León ein wenig unziemlich anmutete. Aber Ana Carolina freute sich darüber und machte sogar noch eine kleine Pirouette, damit er sie von allen Seiten bewundern konnte.
    Seine Tochter, dachte León nicht zum ersten Mal, sah der jungen Vita verblüffend ähnlich. Abgesehen von der Augenfarbe und dem etwas dunkleren Hautton glichen sie einander wie Zwillinge. Doch das konnte er Ana Carolina natürlich nicht sagen. Sie wäre entsetzt, wenn man sie mit ihrer Mutter verglich.
    »Komm her, Schatz, und erzähl deinem größten Verehrer etwas Erbauliches. Ich habe die Nase voll von all diesen Hiobsbotschaften in der Zeitung.«
    »Ach,
papai,
du weißt genau, dass ich hier nichts erlebe, geschweige denn etwas
Erbauliches.
Der Höhepunkt des Tages wird ein kleiner Ausflug auf den Corcovado sein, zu dem Henrique mich gleich abholt.«
    »Oh, und ich hatte mir schon eingebildet, du hättest dich für mich so schön gemacht.«
    »Gefällt es dir? Juliana hat mich einen Giftfrosch genannt, als ich das Kleid das letzte Mal trug.«
    »Du siehst hinreißend aus. Und Juliana sagt solche Dinge nur, weil sie selber eine Giftschlange ist. Eine hässliche noch dazu.«
    »Du findest sie hässlich? Das kann ich nicht glauben. Die meisten Männer liegen ihr zu Füßen.«
    »Es muss an ihrer Oberweite liegen. Oder an ihrer Dummheit. Oder daran, dass sie so gemein ist. Oder an allen dreien zusammen. Erstaunlicherweise mögen viele Männer diese Kombination.«
    »Warum gibst du deine Weisheiten erst jetzt preis, da ich kurz davorstehe zu heiraten? Ich hätte ein wenig dümmlicher dreinschauen und ein bisschen garstiger zu den Männern sein können.«
    »Hätte es etwas geändert?«
    »Nein«, sagte Ana Carolina. »Wahrscheinlich hätte Henrique sich auch dann in mich verliebt.«
    »Ich freue mich, dass er mein Schwiegersohn wird.« Und das tat León wirklich. Andere Burschen, die draufgängerischer und heißblütiger als Henrique waren, hätten bestimmt seine Eifersucht geweckt. Junge Männer, die mehr dem jungen León ähnelten. So einen Bräutigam hätte er sich für seine Tochter nicht gewünscht, wusste er doch aus eigener Erfahrung, wie groß die Reibung und wie tief die Enttäuschungen gewesen wären. Henrique war perfekt für Ana Carolina. Er war klug, tüchtig, ehrlich und von ausgesuchter Höflichkeit. Er würde seine Tochter glücklich machen.
    »Hast du das gehört? Ich glaube, da kommt er schon.« Ana Carolina lief zum Fenster und sah auf die Auffahrt, wo Henrique gerade seinen »Ford mit Schnurrbart«, wie man das T-Modell landläufig nannte, abstellte. Sie riss das Fenster auf und begrüßte ihn rufend und winkend.
    »Offen gestanden«, meinte ihr Vater, »wenn du so laut quakst, hast du schon eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Frosch.«
    Lachend ging Ana Carolina aus dem Raum, um in der Halle ihren Verlobten in Empfang zu nehmen.
    »Meine Liebe, du siehst bezaubernd aus. Ist das Kleid neu?«, begrüßte er sie.
    »Wen kümmert’s? Hauptsache, es gefällt dir. Komm, lass uns im Salon eine kleine Erfrischung nehmen.«
    »Gern. Aber viel Zeit haben wir nicht. Wir sollten in etwa einer Viertelstunde losfahren – auf dem Berg geht es drunter und drüber.«
    Ana Carolina rief Rosa, das Mädchen, das gerade Dienst hier unten hatte, und trug ihr auf, Limonade sowie Gebäck zu bringen. Sie nahm neben Henrique auf dem Sofa Platz und gestattete ihm, ihre Hand zu nehmen. Natürlich hatte sie ihm bereits viel mehr als das gestattet, aber im Haus der Eltern wäre alles andere unschicklich gewesen. Wenig später betrat ihr Vater den Salon, erkundigte sich bei dem Schwiegersohn in spe nach dem Fortschritt des Baus sowie nach ein paar alltäglichen Banalitäten – »Was

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