Unter dunklen Schwingen - Unter dunklen Schwingen
anschauen.«
Connie lächelte wissend. Sie liebte ihre Schulfreundin sehr, aber schon immer hatte Helen den überwältigenden Drang verspürt, die anderen mit ihrer Leidenschaft für Geschichte und Archäologie anzustecken und so ihrem oberflächlichen Leben ein wenig Tiefe einzuhauchen. »Immerhin lernen wir etwas über euer großartiges britisches Kulturerbe. Schaut euch doch nur dieses fabelhafte Gebäude an, und stellt euch vor, was hier alles seit dem 12. Jahrhundert geschehen ist.«
»Ja, ja, wir haben’s verstanden.« Helen stöhnte. »Nun, was sagt ihr dazu, dass wir etwas über die feinen öffentlichen Häuser und die kulinarischen Genüsse Norfolks erfahren?«
Alle drei begannen, gut gelaunt zu kichern, und gingen Arm in Arm hinab zum Parkplatz.
»Lasst uns ein wenig herumfahren und sehen, was wir Schönes finden – vielleicht sogar nahe Sandringham.«
So stiegen sie in den Wagen und fuhren los.
* * *
Es war fast schon nach acht, und das Tageslicht verebbte schnell. Connie bog von der Straße in dichtes Waldgebiet ein, das vor dunklen Schemen und Schatten nur so strotzte. Die Freundinnen starrten neugierig nach draußen.
»Wow, das ist doch mal richtig spooky – ich hoffe, der Axt-Mörder springt nicht hinter uns her.«
»Halt die Klappe, Francis. Du weißt, ich hasse so was!« Helen wirkte entnervt.
»Mädels«, verkündete Connie triumphierend gerade im rechten Augenblick, »sieht aus, als seien wir gerettet.«
Alle schauten nach vorne, wo das Haus auftauchte.
* * *
Es war ein altmodischer Steinbau mit schmalen, vom Licht in den Stuben glühenden Fenstern, der sich einladend aus der Landschaft erhob. Ein altes verrostetes Schild, durch das sich das Gebäude als Gasthaus zu erkennen gab, schwang sanft im Wind, schwach beleuchtet nur von einer alten Straßenlaterne.
» The Black Wings Inn ! Das ist doch alles, was wir brauchen.« Helen klatschte übertrieben laut in die Hände.
»Oh, sei keine Memme, Helen – bist du nun hungrig oder bist du es nicht?!« Connie parkte den Wagen neben den anderen Autos, dann gingen die drei Freundinnen erschöpft in Richtung des Eingangs.
Ein grotesker steinerner Wasserspeier in der Form von etwas, das eine Fledermaus hätte sein können, wölbte sich aus der Wand über der Tür, die schwarzen Flügel weit ausgebreitet, als wolle er sich noch während dieser Nacht in die Lüfte erheben.
»Wow! Das ist aber wirklich unheimlich«, stellte Francis mit leisem Schaudern fest. »Daher hat das Gasthaus wohl seinen Namen.«
»Schau, da ist eine Inschrift.«
Alle blickten gebannt auf die geschwungenen Buchstaben.
Jene mit geschwärzten Herzen und verhüllten Gesichtern, beichtet eure Sünde – oder verlassen könnt ihr niemals diesen Ort.
Zuerst standen sie schweigend da, dann entfuhr es Helen: »Das ist ja ein starkes Stück!«
»Komm schon, Helen.« Francis kicherte mit einem leicht hysterischen Unterton in der Stimme und ging voran. Doch sie gab sich forsch und machte eine einladende Handbewegung. »Tritt ein, oder hast du etwas zu verbergen?«
»Ha«, antwortete Helen nur und fügte burschikos hinzu: »Das ich nicht lache!«
* * *
»Guten Abend, meine Damen. Was kann ich für Sie tun?« Ein beleibter Mann mit roten, geschwollenen Wangen und einer großen Lücke zwischen den Schneidezähnen beäugte die jungen Frauen von seinem Platz hinter dem Tresen. Die Wärme der Gaststube empfing sie anheimelnd. Der Raum war einladend mit einem festen roten Teppich sowie Tischen und Stühlen aus Eichenholz ausgestattet. Jagdtrophäen und landwirtschaftliche Gegenstände schmückten die Wände und gaben allem einen rustikal-nostalgischen Hauch.
Zwei Geschäftsleute mittleren Alters in steifen Anzügen saßen an dem Tisch neben der Feuerstelle und waren in eine Diskussion vertieft, beide nervös ein Pint Lager haltend. Ein älteres Ehepaar hatte am Fenster Platz genommen und versuchte, einander zu ignorieren – die Frau streichelte einen Pudel, der auf ihrem Schoß saß. Der Hund kläffte und schnappte ständig nach zwei jungen Männern, die auf einer roten Ledercouch saßen, offensichtlich schwul und irritiert ob der ungewollten Aufmerksamkeit.
»Wir sind kurz vor dem Verhungern.« Connie stöhnte. »Könnten wir bitte die Speisekarte sehen?«
»Sicher doch«, erwiderte der Mann am Tresen. »Aber ich kann Ihnen wärmstens das von meiner Frau speziell angerichtete Steak mit Nierenpastete empfehlen.«
Helen sagte sofort: »Das hört sich toll an.« Und fügte
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