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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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besser aussah.
    »Ich fürchte, dass wir hier draußen unser Leben aufs Spiel setzen«, sagte Wickham.
    Hayden nickte. Der Junge hatte recht. Es wäre gewiss besser, mit kleinster Segelfläche vor dem Sturm zu laufen, aber die Küste lag leewärts zu nah.
    »Wenn wir noch ein bisschen weiter aufs offene Meer kommen, könnten wir Ushant umschiffen. Es gibt dort eine kleine Bucht - die Baie du Stiff -, wo wir Schutz finden würden. Aber das wäre riskant, denn dort leben Leute.«
    »Das Risiko scheint mir sehr groß zu sein«, sagte Wickham, »selbst wenn dort niemand wohnt. Zwischen uns und Ushant liegen viele Inseln und Untiefen.«
    Sie schwiegen für einen Moment.
    »Was, glauben Sie, ist mit Hart?«, fragte Hawthorne.
    »Das dürfte davon abhängen, wo die Themis war, als der Sturm begann. Vermutlich wird Hart versucht haben, möglichst viel Abstand zur französischen Küste zu bekommen. Sollte er nördlich von Ushant gewesen sein, hat er sicher beidrehen lassen, um später einen westlichen Kurs einzuschlagen.«
    »Wenn er nicht längst wieder den Ärmelkanal überquert hat und in Torbay ist«, meinte Wickham. Der Midshipman sah vollkommen erschöpft und durchgefroren aus. Bei diesen Widrigkeiten hatten sich schon Matrosen den Tod geholt. Die Nässe und der kalte Wind entzogen dem Körper die Wärme. Aber Hayden konnte nichts für seine Kameraden tun.
    »Sie sollten etwas essen«, wandte er sich an beide.
    Hayden überlegte, ob es nicht besser für sie alle wäre, wenn er jetzt Kurs auf den Hafen von Brest setzte. Würde man sie nicht ohnehin für Fischer halten, die vom Fang zurückkehrten? Doch inzwischen hatte es sich gewiss herumgesprochen, dass die englischen Spione in einem Fischerboot entkommen waren. Daher würde der Hafenmeister ihnen ein Beiboot entgegen senden.
    Den ganzen Morgen über blieben sie auf See, schöpften Wasser aus der Bilge und wechselten sich am Ruder ab. Glücklicherweise ließ irgendwann der Regen nach, doch die Böen schlugen nach wie vor unerwartet in die Segel. Der heftige Wind ging ihnen bis auf die Knochen. An der Ruderpinne sitzen zu müssen war am schlimmsten, da man dann dem Wind ausgesetzt war. Aber auch wenn man das Hauptsegel bediente, bewegte man sich kaum und fror entsetzlich im kalten Wind. Allein das Schöpfen half, aber wenn man den Eimer an den Nächsten übergab, zitterte man kurz darauf wieder erbärmlich. Hayden achtete darauf, dass sie alle immer etwas aßen und genügend Wein oder Wasser tranken.
    Nach einer weiteren kleinen Mahlzeit hing Hawthorne über der Bordwand und musste sich übergeben. Kraftlos sackte er auf die Planken und wischte sich mit der Hand über den Mund.
    »Die Fische hatten Hunger«, sagte er mit einem schiefen Grinsen und schloss die Augen. Doch kurz darauf spornte er sich erneut an und machte sich wieder ans Schöpfen, ahnte er doch, dass das untätige Ausharren den Tod bedeuten könnte.
    Spät am Vormittag ließ der Wind nach, und die See wurde etwas ruhiger und nicht mehr so bedrohlich, aber nach wie vor hielt sich der starke Wellengang. Obwohl nun keine unmittelbare Gefahr mehr bestand, war Hayden sich immer noch nicht im Klaren darüber, was sie tun sollten. Ein Großteil des Brotes war in den über Bord gespülten Wellen aufgeweicht und ungenießbar, sodass der Proviant zur Neige ging. Es wäre ein Kraftakt und ein entbehrungsreiches Unterfangen, bei dieser Wetterlage und mit nur drei Knoten zurück zur englischen Küste zu segeln. Ein guter Wind aus Nordost könnte sie hinaus in den Atlantik treiben.
    »Segel, Mr Hayden!« Wickham zeigte in süd-südwestliche Richtung. »Sieht aus wie ein Zweimaster. Eine Brigg oder eine Schnau.«
    Inzwischen war Hayden wieder mit dem Schöpfen beschäftigt und schaute nun über die grünlich wogenden Wasser hinweg. In der Ferne war ein weißer Fleck zu sehen, vielleicht fünf Meilen entfernt.
    »Glauben Sie, es ist eins von unseren Schiffen?«, fragte Hawthorne, aber schon sein Tonfall verriet, dass er das für unwahrscheinlich hielt.
    »Schwer zu sagen«, erwiderte Hayden. »Wenn es Franzosen sind, werden sie uns für einfache Fischer halten, die in den Sturm geraten sind. Kommt bei einem so kleinen Boot bestimmt nicht häufig vor, wäre aber auch nicht außergewöhnlich. Ich werde sie um etwas Essen bitten, wenn sie näher kommen.« Hayden suchte das Wasser nach weiteren Schiffen ab und fluchte schließlich.
    Wickham reckte den Hals und schaute in nordöstliche Richtung. »Sieht wie eine Chase Mary

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