Unter feindlicher Flagge
die Bordwand, durchnässten Hawthorne und sammelten sich in der Bilge. Eine kalte Welle riss Wickham aus dem Schlaf. Erschrocken setzte er sich auf, prustete und schüttelte sich die Tropfen aus den Haaren. Der Junge fluchte wie ein alter Seebär, was Hayden zum Schmunzeln brachte.
»Haben wir einen Eimer an Bord, Mr Wickham?«, fragte er. »Ich denke, ein bisschen Ausschöpfen ist nötig.«
»Aye, Sir.«
Hayden hörte, wie der junge Mann im Dunklen nach einem Eimer suchte.
»Zwei Eimer und eine Blechdose, Mr Hayden«, meldete er.
»Hört sich gut an. Achten wir darauf, dass sich nicht zu viel Wasser in der Bilge sammelt.« Hayden wusste, dass ein kleines Boot von zu viel hin und her schwappendem Wasser leicht destabilisiert wurde. Dann hörte er, wie das Metall der Dose beim Schöpfen über die Holzplanken kratzte - und das Wasser im Eimer landete. Kurz darauf leerte Wickham den Eimer über der Bordwand aus und machte sich wieder ans Schöpfen.
Noch zweimal senkte Hayden das Seitenschwert ins Wasser und atmete schließlich erleichtert auf, als sie Chèvre Point leewärts passierten. Dennoch wusste er, dass sie noch lange nicht außer Gefahr waren. Eine starke Unterströmung erfasste nun das Boot. Ein Vorbote des aufziehenden Sturms aus Südwest. Bei Tageslicht, so fürchtete Hayden, könnten sie in eine fast aussichtslose Situation geraten. Der Wind würde sie entweder gegen die Steilklippen oder gleich ganz in den Hafen von Brest drücken.
Der Mond, der gerade erst aufgegangen war, blieb hinter dichten Wolkenbändern verborgen und ließ die drei Engländer in der Dunkelheit zurück. Hayden hatte keinen Kompass und konnte nur mit dem Wind navigieren. Die Leinen, mit denen er sein Seitenschwert konstruiert hatte, knarrten, und Hayden fragte sich, wie lange sie noch halten mochten. Düster war Chèvre Point an der Steuerbordseite zu erahnen. Die andere Küste der Bucht lag irgendwo in der Dunkelheit. Angestrengt lauschte er in die Nacht, da er hoffte, die Brandung zu hören, aber da der Wind auffrischte, konnte man kaum zwischen all den Geräuschen unterscheiden.
»Ob die Themis Positionslampen gesetzt hat?«, fragte Hawthorne.
»Ich denke, ja. Die Tenacious könnte noch in den Gewässern sein. Außerdem fahren einige Schiffe entlang der Küste.«
»Glauben Sie, wir finden die Themis?«
Hayden zuckte mit den Schultern. Ein Windstoß zwang ihn, das Segel ein Stück weit freizugeben. Einen Moment lang setzte der Wind ihnen zu und drückte das Boot auf die Seite, ehe er nachließ.
»Bei Tagesanbruch müssten wir sie sehen«, lautete Haydens Antwort. Wenn sie uns nicht absichtlich zurückgelassen haben, ging es ihm durch den Kopf. »Wir sollten uns jetzt abwechseln«, schlug er vor. »Wären Sie so nett und übernehmen das Ausschöpfen, Mr Hawthorne? Ich überlasse Wickham das Segel und gehe ans Besansegel. Nicht einschlafen, Wickham. Wenn Sie das Segel bei einem Windstoß nicht laufen lassen, können wir kentern.«
»Aye, Sir, ich bin wach.«
»Freut mich zu hören.«
Der Wind nahm an Kraft zu. Die See wogte stärker, da das Boot nun nicht mehr im Schutz der Landzunge lag. Hayden wollte möglichst lange viel Segelfläche ausnutzen, denn die Küste war nicht weit entfernt. Erneut wurde eine Welle über Bord gespült, traf Hayden im Gesicht und an der Brust und zwang Hawthorne zum Schöpfen. Die Taue am Seitenschwert knarrten bedenklich und der Wind heulte. Gischtkronen tauchten plötzlich aus der Dunkelheit auf, die Wellen drängten das Boot leewärts. Hayden hoffte, dass das kleine Besansegel der Belastung standhielt.
Ständig versuchte er, die Position zu bestimmen. Die Geschwindigkeit des Bootes konnte er dagegen recht sicher einschätzen. Zudem wusste er, dass sie das Cap de la Chèvre passiert hatten. Den Kurs schätzte er grob. Allerdings musste er die Abdrift einrechnen, die größer war, als ihm lieb war. Alles zusammen ergab nur eine unzureichende Position. Seine größte Furcht war, dass sie zurück in den Goulet getrieben oder gegen die Steilklippen weiter nördlich gespült wurden.
Nun setzte auch noch Regen ein und prasselte auf die Planken, als wären die drei Seeleute nicht schon nass genug.
»Ich glaube nicht, dass wir Ushant luvwärts umschiffen«, merkte Wickham an und ließ das Segel ein wenig kommen, als eine Böe über sie hinwegfegte.
»Nein. In dieser Dunkelheit kommen wir nicht mal in die Nähe.«
»Haben Sie unsere Position bestimmen können, Mr Hayden?«
»Nordwestlich vom
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