Unter feindlicher Flagge
sieben? Und dann war da noch Dänisch oder Schwedisch, das weiß ich nicht mehr so genau.«
»Dänisch, aber das beherrsche ich wirklich nicht fließend.« Eine zarte Röte war Henrietta in die Wangen gestiegen, was offensichtlich an Mrs Hertles Verhör lag, wie Hayden vermutete.
»Doch, das Dänische zählen wir dazu«, sagte die Hausherrin, »denn du bist immer so bescheiden. Für mich sind das dann acht, oder sieben, wenn du darauf bestehst, aber wir dürfen das Russische nicht vergessen.«
»Nein, Russisch auf keinen Fall«, protestierte sie. »Ich komme in einer normalen Unterhaltung nicht über ein paar Floskeln hinaus.«
Mrs Hertle lachte. »Sieben, und Russisch zählt nur zur Hälfte. Bestimmt habe ich noch die eine oder andere Mundart vergessen. Das ist schon eine beachtliche Liste, findest du nicht, Charles?«
»Sehr beeindruckend. Offensichtlich waren Mr Carthews pädagogische Methoden erfolgreich.«
»Ich denke, dass die gute Henrietta eine außerordentliche Begabung für Sprachen hat.«
»So wie ich«, erklärte Robert, und als seine Frau die Augen verdrehte, mussten die anderen lachen. Roberts stümperhafte Annäherungen an das Französische oder Spanische hatten am Tisch schon des Öfteren für Heiterkeit gesorgt.
»Er hat wirklich ganz verblüffende Erfolge mit seinen begabten Töchtern erzielt«, sagte Mrs Hertle und schaute ihre Cousine ganz unbefangen an.
»Charles spricht auch eine Reihe Sprachen«, stellte Robert fest. »Französisch spricht er wie ein Franzose, da er die ersten Jahre dort aufgewachsen ist. Er beherrscht aber auch den Jargon von Cheapside. Erst kürzlich sagte er zu mir im Scherz: Du hast deine Rotzfahne fallen lassen, Robert. Und ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte.«
»Was bedeutet das denn, wenn ich fragen darf?«, wollte Henrietta gern wissen. »Oder sollte eine Dame eher nicht danach fragen?«
»Taschentuch«, erklärte Robert trocken. »Aber heutzutage bedienen sich ja sogar viele modebewusste Herren dieses Jargons.«
»Mir war nicht bewusst, dass Sie sich nach der Mode richten, Leutnant«, stellte Miss Henrietta fest. Ihr Tonfall war ein wenig neckend, wie Hayden glaubte.
»Nein, ich bin kein modebewusster Mann. Eine Zeitlang hatte ich einmal einen Diener an Bord meines Schiffes, der einst ein ›Angler‹ war, also ein Dieb. Er setzte einen Stock mit einer Schlinge ein, um sich Gegenstände aus Schaufenstern zu angeln. Wenn der sich mit einigen anderen an Bord in der Gaunersprache unterhielt, hatte ich immer den Eindruck, eine fremde Sprache zu hören. Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie fand ich diesen Jargon faszinierend. Ich begann sogar, ein Wörterbuch anzulegen. ›Balderdash‹, zum Beispiel, ist mit Wasser versetzter Wein.«
»Erzähl uns, was Junggesellenkost ist ...«, drängte Robert ihn.
»Brot, Käse und Küsse.«
Die Damen gaben sich schockiert, aber schließlich wurde Henrietta ernst.
»Vermissen Sie es?«, fragte sie fast besorgt. »Frankreich, meine ich.«
Hayden wusste nicht recht, wie er darauf antworten sollte. »Manchmal schon, denn ich bin ein Mann, der innerlich gespalten ist. Als Engländer wuchs ich mit französischem Essen und Wein auf und lernte die Vielfalt der französischen Konversation kennen. Gleichzeitig bin ich ein Franzose, der die englische Ordnung, die Regierung und den Sinn für Vernunft bevorzugt. Die Franzosen neigen dazu, zu leidenschaftlich und stolz zu sein. Oft lassen sie sich allein von ihrem Gefühl zu Entscheidungen hinreißen, was mich dazu veranlasst, meine englische Seite umso mehr zu mögen.«
»Aber wenn all die Krankheiten von Frankreich morgen geheilt würden und die Ordnung wiederhergestellt wäre, in welchem Land möchten Sie dann am liebsten leben?« Henrietta sah ihn gespannt an, als sei die Antwort auf diese Frage von allergrößter Wichtigkeit.
Wie viele andere junge Männer auch legte Hayden nicht allzu viel Wert auf Selbstbeobachtung. Und wenn er bisweilen kurz in sich hineinhorchte, gab ihm das oft auch keinen großen Aufschluss. Als er jetzt so direkt gefragt wurde und die Dame mit seiner Antwort beeindrucken wollte, war sein Kopf plötzlich leer. »Um die Wahrheit zu sagen, wenn ich in Frankreich bin, dann fühle ich mich als Engländer, der sich als Franzose verkleidet hat. Und wenn ich hier bin, fühle ich mich wie ein Franzose, der vorgibt, englisch zu sein.«
»Dann sind Sie in keinem der Länder richtig zu Hause«, stellte Henrietta leise fest.
Hayden wollte gerade
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