Unter feindlicher Flagge
bekam.
Hayden musste mit ansehen, wie der Mann durch die Straße zur nächsten Laterne geschleift wurde. Ein Kranz aus Nesseln hatte man ihm um den Hals gehängt, und die johlenden Sansculottes drückten ihm einen Strauß Disteln in die Hand. Man stopfte ihm Heu in den Mund, bis Doué würgte, und schließlich hängten sie ihn an dem Laternenpfahl auf.
Hayden presste die Hände vors Gesicht. Den Ausdruck von Entsetzen in den Augen des Mannes würde er nie vergessen können. Als Doué durch die Straße getrieben wurde, vorbei an Hayden, hatte Hayden geglaubt, der Mann habe ihn angesehen - ihn, den l'Anglais in seinem französischen Mantel - und ihn um Hilfe angefleht. Und doch hatte Hayden seine eigene Stimme gehört, die da rief, der Mann solle gehängt werden.
Doués Schwiegersohn, der einen Posten in Paris innehatte - vielleicht war er ein Verwalter -, war es nicht anders ergangen. Schließlich schlug man ihnen die Köpfe ab, steckte sie auf Piken und zog damit durch die Gassen. Immer wieder drückte der Mob die schlaffen Gesichter der Toten aneinander und schrie: »Küss Papa, küss Papa!«, als sei dies ein furchtbar lustiges Spiel. Drei Tage später war Hayden wieder in England, beschämt über das, was er getan hatte, entsetzt von der Tatsache, dass selbst er in den Sog eines tobenden Mobs geraten war.
K APITEL VIER
Hayden konnte sich nicht erinnern, dass im Hafen von Plymouth je ein so lautes und hektisches Treiben geherrscht hatte. Die Kutsche, mit der er in die Stadt gekommen war, war mehr als eine Stunde von einer Viehherde aufgehalten worden, die zum Victualing Yard getrieben wurde. Und jetzt, da er am Kai stand, schien um ihn herum nichts als emsige Bewegung zu sein. Der große Hafen war überfüllt mit kleinen Booten, die im Zuge der Kriegsvorbereitungen zwischen den stattlichen Schiffen der Royal Navy hin und her pendelten.
Von außer Dienst gestellten Schiffen wurde das Schanzkleid entfernt, und Hulks mit Kranaufbauten kamen längsseits und richteten pikenförmige Masten auf, damit die Takler ihr Handwerk ausüben konnten. Barkassen mit Pulver fuhren ihre Runden und riefen den Matrosen zu, das offene Feuer an Bord zu löschen. Alle Bootssteuerer machten freiwillig einen großen Bogen um die Pulverschiffe.
»Mr Hayden, Sir ...«
Hayden blickte nach unten und entdeckte den jungen Leutnant, der ihm winkte. Augenblicke zuvor war der junge Mann verschwunden, hatte aber versprochen, Hayden zu seinem neuen Schiff zu bringen. Kurz darauf kletterten mehrere Matrosen über einen betriebsamen Lugger auf den Kai, um Haydens Gepäck in Empfang zu nehmen. Hayden folgte den Männern zurück über das niedrige Deck des Fischerbootes und stieg hinab ins Heck der Pinasse, wo er sich auf einer Sitzbank niederließ. Lange Riemen senkten sich ins Wasser, und das Boot mischte sich unter all die anderen Boote. Der Bootssteuerer, stets wachsam in so einem Gedränge, reckte sich, um über die Köpfe der Rudergasten hinweg sehen zu können.
»War gar nicht so einfach, Sie zu finden, Mr Janes«, sagte Hayden zu dem jungen Mann, der noch nicht lange Gebrauch von Rasierklingen machte, da war Hayden sich sicher. »Und meinen Glückwunsch. Haben Sie Ihre Epauletten schon lange?«
»Ich habe mein Examen im März bestanden, Mr Hayden.«
»Nun, Sie haben mich eingeholt, Leutnant, dabei erinnere ich mich noch, wie Sie zum ersten Mal ein Schiff betraten.«
Janes errötete leicht. »Ich habe vielleicht vom Rang her mit Ihnen gleichgezogen, Mr Hayden, aber nicht im Können.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, entgegnete Hayden und warf dann einen Blick auf die Mündung des Hamoaze. »Und Sie sind sicher, dass die Themis noch dort ist?«
»Sie kann nirgendwo hin, Sir. Als ich heute früh an ihr vorbeifuhr, hatte sie nur einen Mast aufrecht stehen.« Janes schwieg einen Moment und fühlte sich in Gegenwart seines ehemaligen Vorgesetzten, zu dem er vom Rang her aufgeschlossen hatte, etwas unwohl. Auch Hayden fühlte sich etwas gehemmt. »Waren Sie schon an Bord, Mr Hayden?«
»Ich habe die Themis noch nie gesehen. Zweiunddreißig Geschütze, Achtzehnpfünder, wie ich hörte - sicherlich recht ungewöhnlich.«
»Es gibt noch einige Schiffe dieser Bauart, Sir. Eins liegt in Woolwich, Pallas wird sie heißen, und wird wohl noch vor Jahresende vom Stapel laufen. Die Themis ist dennoch ein hübsches, kleines Schiff, Sir. Manche meinen, sie ist ein bisschen zu klein für ein ganzes Deck mit Achtzehnpfündern, aber ich höre,
Weitere Kostenlose Bücher