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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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dem Wasser, kommt kaum zu den Mastspitzen. Ihr da oben«, rief er, »seid ihr über dem verdammten Nebel?«
    »Wir sitzen mittendrin, Mr Barthe«, kam es wie aus dem Nichts.
    »Eine einzige Nebelbank, so weit das Auge reicht«, murrte der korpulente Master, dessen Gestalt aufgrund des leicht nach vorn geneigten Körpers etwas Zwergenhaftes hatte.
    »Da haben Sie wohl recht, Mr Barthe«, versicherte ihm Hayden und zeigte in den langsam wabernden Nebel. »Wir könnten die Themis rammen, ohne dass der eine den anderen sieht.«
    Barthe stand an der Steuerbordreling und blickte besorgt in die Nacht. »Die Dämmerung wird mir willkommener sein als sonst, und das will was heißen.«
    »In ein paar Stunden haben wir zumindest ein wenig Licht.« Hayden schritt langsam über das Deck.
    Über kaum etwas diskutierten Seeleute häufiger als über den Wind und die See. Unentschlossenheit war nicht allein eine menschliche Eigenart. Denn eine Zeitlang frischte der Wind auf und ließ das Schiff durch die Wellen rauschen, flaute dann aber plötzlich wieder ab. Und als aus der Dunkelheit unvermutet eine Unterströmung einsetzte und die Matrosen daraufhin eilig aufenterten, um die Segel zu reffen, da eine starke Dünung für gewöhnlich einen kräftigen Wind ankündigte, blieb der Wind plötzlich aus. Die See wurde auf mysteriöse Weise glatt wie ein Spiegel. Die erfahrenen Matrosen schüttelten den Kopf.
    Glocke um Glocke kündigte den Verlauf der Wache an, bis die Morgenwache anbrach. Nach zwei Stunden zeichneten sich am östlichen Horizont die ersten zaghaften Rottöne des Herbsttages ab. Hayden stand an der Heckreling, als er den Master seufzen hörte.
    »Da kommt das lang ersehnte Tageslicht, Mr Barthe«, sagte Hayden.
    Barthe schaute noch etwas länger aufs Meer und wandte dem stellvertretenden Kommandanten dann das geschwollene Gesicht zu. »War eine verdammt lange Nacht«, murrte er. »Wo ist Mr Wickham? Hat er die Themis im Blick?«
    »Mr Wickham ist auf der Marsplattform, Mr Barthe«, erklärte Hobson.
    »Ich schätze, selbst Wickham wird jetzt nicht allzu viel sehen. Wollen Sie mir beim Frühstück Gesellschaft leisten, Mr Barthe? Mr Landry wird mich gleich an Deck ablösen.«
    »Segel steuerbord voraus!«, rief Wickham hoch oben aus dem Rigg.
    Hayden trat gleich an die Reling und bekam ein Fernglas gereicht, aber alles, was er sehen konnte, waren verschiedene Grauabstufungen - Nebel und Meer -, eine Szenerie, die ihn unerklärlicherweise an London im Winter erinnerte. Das Schiff stieg und fiel mit den Wellen und glitt durch die Dunstschwaden, die sich achtern zu kleinen Wirbeln formten. Hayden spürte, dass sich sein Atem beschleunigte, bemühte sich aber, Ruhe zu bewahren.
    »Mr Franks«, wandte er sich leise an den Bootsmann, »alle Mann auf Gefechtsposition, aber so leise wie möglich. Mr Archer? Ah, da sind Sie. Absolute Ruhe an Bord. Geben Sie das durch.«
    »Aye, Mr Hayden«, wisperte Archer.
    Die Frühmahlzeit war vergessen. Leise wurden die Wachen geweckt, es blieb keine Zeit, die Hängematten in den Finknetzen zu verstauen. Müde dreinblickende Matrosen kletterten an Deck. Am Vortag waren bereits die Schotten entfernt worden. Das Kanonendeck war offen bis auf die Kapitänskajüte. Nun trug Hayden den Männern auf, auch die Zwischenwand zur Kabine abzubauen. Landry kam durch den Niedergang, schaute sich um und trat sogleich an die Reling.
    »Ist das die Themis, Mr Hayden?«
    »Wir wissen es nicht, Mr Landry, aber sie könnte es sein.«
    Kanonen wurden ausgerannt, Segel befeuchtet, die Beiboote nach achtern ausgerichtet. Die Männer sahen einander stumm an und machten sich an die Arbeit - beunruhigt und aufgeregt zugleich, ahnten sie doch, dass die kommenden Stunden über ihrer aller Schicksal entscheiden würden. Auch Wickham trat an die Reling, müde und hungrig.
    »Sah das Schiff wie die Themis aus, Mr Wickham?«, fragte Hayden den stellvertretenden Leutnant, der ein wenig außer Atem war.
    »Ich denke, ja, Mr Hayden, aber ich bin mir nicht sicher. Sie hat den gleichen Kurs eingeschlagen wie wir.«
    Hayden nickte und schwieg einen Moment lang. Er musste in Ruhe nachdenken, um die Situation richtig einzuschätzen. »Mr Barthe? Alles zur Kursänderung vorbereiten. Alle Männer auf ihre Positionen. Bereithalten zum Brassen der Rahen.«
    »Was haben Sie vor?«, fragte Landry.
    »Wir nehmen eine Kursänderung vor und versuchen, hinter ihrem Heck durchzugehen, um einen Luvkampf zu beginnen. Bevor sie es merken, könnten

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